Neue Erkenntnisse zur Übertragbarkeit der Tuberkulose

Tuberkulosestämme sind bei verschiedenen Menschen unterschiedlich gut übertragbar.

Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der Harvard Medical School und des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum, haben neue Erkenntnisse zur Übertragung der Tuberkulose gewonnen. Hier beantwortet Erstautor Dr. Dr. Matthias Gröschel Fragen zu den Forschungsergebnissen.

 

Welche wissenschaftliche Fragestellung liegt Ihrer Studie zugrunde?

Betrachtet man Ansteckungszahlen und Todesopfer, ist die Tuberkulose die wichtigste Infektionskrankheit weltweit, auch wenn hierzulande die Übertragungsraten und Neuinfektionen niedrig sind. Sie kann von verschiedenen Vertretern des sogenannten Mycobacterium-tuberculosis-Komplexes, also einer Gruppe von Tuberkulose verursachenden Bakterien, ausgelöst werden, die sich genetisch in mehrere Gruppen einteilen lassen. Manche dieser Tuberkuloselinien kommen nur in bestimmten Weltregionen vor („Spezialisten“), während andere überall vorkommen („Generalisten“) – der Grund dafür war aber unklar. Wir wollten herausfinden, ob es Zeichen einer Anpassung zwischen Tuberkuloseerregern und menschlichem Wirt gibt und ob dies anhand der Übertragungsraten messbar ist.

Wie sind Sie vorgegangen?

Wir haben in Zusammenarbeit mit drei großen Gesundheitsämtern aus New York, Amsterdam und Hamburg eine Gruppe von über 5.000 Menschen zusammengestellt, die von verschiedenen Tuberkuloseerregern infiziert worden waren. Unter Einbeziehung der klinischen Charakteristika der Betroffenen, ihrer sozialen Kontaktnetzwerke und der genetischen Information der Tuberkuloseerreger haben wir die Übertragungsraten statistisch modelliert. Im Anschluss prüften wir im Labor, ob Immunzellen von Spendern unterschiedlicher Herkunft von zwei verschiedenen Tuberkuloseerregern gleich gut infiziert werden können.

Was haben Sie herausgefunden?

Die epidemiologischen Daten haben gezeigt, dass die „Spezialisten“ unter den Tuberkuloselinien, die nur in bestimmten Regionen vorkommen, an international geprägten Orten weniger gut übertragbar sind. Zudem sind Tuberkulosestämme aus einer bestimmten Region der Welt besser übertragbar auf Menschen, die aus derselben Region stammen. Das deutet darauf hin, dass die Bakterien und die Menschen seit langer Zeit koexistieren und sich aneinander angepasst haben. Wir konnten diesen Effekt auch im Labor nachvollziehen, müssen hier jedoch weitere Experimente durchführen, um den Mechanismus zu entschlüsseln.

Was hat Sie überrascht?

Man hat schon lange vermutet, dass sich die Tuberkuloseerreger an den Menschen angepasst haben – immerhin koexistieren die Bakterien mit uns schon seit vielen Jahrtausenden. Es war spannend, einen Effekt dieser Koexistenz auf die Übertragungsrate nun erstmals im Rahmen einer großen epidemiologischen Fall-Kontroll-Studie zu beweisen.

Welches Fazit können Sie ziehen?

Wir wissen jetzt, warum die verschiedenen Tuberkuloseerreger auf der Welt unterschiedlich verteilt sind. Die verschiedenen Übertragungsraten zwischen Spezialisten- und Generalisten-Linien lassen vermuten, dass die Generalisten weltweit häufiger vorkommen, da sie besser in unterschiedlichen Wirtspopulationen übertragbar sind. Der genaue Mechanismus dieser Anpassung an den Menschen ist sehr komplex und wird viele weitere Experimente erfordern. Gesundheitsämter können aber bereits jetzt genauer abschätzen, welche Personen ein höheres oder niedrigeres Risiko für eine Infektion nach einem Tuberkulose-Kontakt haben.
 

Kontakt

Dr. Dr. Matthias Gröschel
Fächerverbund Infektiologie, Pneumologie und Intensivmedizin
Charité – Universitätsmedizin Berlin

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