Im Portrait | Cambrium: Neue Materialien mithilfe von KI

Das Berliner Start-Up Cambrium stellt mithilfe von Künstlicher Intelligenz bio-basierte Materialien her. Die Materialien sind nachhaltig und vor allem – je nach Anwendungsfall – anpassbar für den jeweiligen Zweck.

     

     

    Schon der Firmenname zeigt, dass die Gründer Mitchell Duffy und Charlie Cotton so einiges vorhaben: Cambrium – zu Deutsch Kambrium – ist ein Zeitalter, in dem vor hunderten Millionen Jahren erstmals aus Einzellern multizelluläre Organismen entstanden sind. „Bei der sogenannten kambrischen Explosion hat die Evolution für den biologischen Urknall und somit für den Beginn der Diversität gesorgt“, sagt Cambrium-CEO Mitchell Duffy. „Wir wollen nun statt neuer Organismen neue biologische und nachhaltige Materialien herstellen – und zwar mit einem ähnlichen Big Bang-Effekt wie damals.“ 

    Programmierte Proteine

    Erreichen will Cambrium das Ziel unter anderem mit Künstlicher Intelligenz (KI). Bei den neuen Materialien fokussiert sich das 2020 gegründete Unternehmen aktuell auf die Herstellung von Proteinen – derzeit vor allem Kollagen. „Es gibt auf der Erde wahnsinnig viele Proteine deren Bausteine man auf unterschiedliche Art zusammensetzen kann“, erklärt der promovierte Biologe. „Bislang hat die Evolution diese Zusammensetzungen bestimmt und die Biomaterialien zwar optimiert, aber das dauert lange und es kommen nicht unbedingt Proteine heraus, die wir dann auch gut als Material verwenden können. Mithilfe der KI können wir nun die Proteine so programmieren, dass sie genau das machen, was wir wollen und was wir besonders gut gebrauchen können.“

    Der Fokus auf die Herstellung von Kollagen hat sich laut Duffy ergeben, als er und sein Gründungspartner potenzielle Kunden gefragt haben, welches Material besonders gebraucht wird und was Unternehmen gerne nachhaltiger herstellen möchten. „Dabei haben wir einen großen Bedarf an Kollagen festgestellt. Dieses wird meist aus tierischen Geweben gewonnen und ist vor allem in der Kosmetikherstellung gefragt“, sagt Duffy. „Also haben wir uns zunächst darauf konzentriert, ein hautidentisches, mikromolekulares Kollagen zu entwickeln und herzustellen.“

    Für die Entwicklung beschäftigen sich derzeit sieben der mittlerweile 25 Mitarbeiter nahezu ausschließlich mit Big Data und KI, untersuchen Millionen von Proteinsequenzen auf ihre Eigenschaften und programmieren schließlich die Entwürfe für die Proteine. Im Cambrium-Labor werden die Proteine dann zunächst in Zellfabriken in kleinen Gefäßen mithilfe der sogenannten Präzisionsfermentation hergestellt und geprüft, ob sie halten, was sie versprechen. Ist das der Fall, wird die Herstellung dann an Partner ausgelagert und im Anschluss die Materialien an die Kunden verkauft.

    Kosmetik und Textilien

    Das erste offizielle Cambrium-Produkt „NovaCollTM“ hat schon mehrere Kunden, einer davon verkauft es bereits in seinen Hautpflegeprodukten. „Wir gehen davon aus, dass bis Ende des Jahres rund 50.000 Menschen etwas anwenden, das ein Produkt von uns enthält“, sagt der Gründer. Cambrium fokussiert sich weiter auf die partnerschaftliche Entwicklung neuartiger, wettbewerbsfähiger Materialien industrieübergreifend. „Wir arbeiten zum Beispiel an einem Projekt mit einem globalen Produzenten von synthetischem Leder“, sagt Duffy, weitere Anwendungsfälle seien in Planung.

    In Berlin hat Cambrium zwei Standorte: Den Hauptsitz in Berlin-Mitte in der Friedrichsstraße und das Labor auf dem Campus Berlin-Buch. „Auf dem Campus sind wir super aufgehoben“, sagt Duffy. „Hier gibt es spannende Forschung und viele interessante Start-Ups und Unternehmen, mit denen wir uns gut austauschen können.“

    Grundsätzlich gebe es in Berlin sehr viel Unterstützung für neugegründete Unternehmen; Cambrium hat diese sowohl vom Senat als auch durch die Investitionsbank und Berlin Partner erhalten. Auch das Thema KI sei in Berlin bestens aufgehoben. „Es gibt hier unter anderem einen großen Pool von talentierten Menschen und viele spannende Unternehmen und Projekte“, sagt Duffy. Dass auch sein Unternehmen zu den innovativen Start-ups im Bereich Deep Tech gehört, hat er seit kurzem schriftlich: Beim diesjährigen Deep Tech Award hieß in der Kategorie „Künstliche Intelligenz“ der Gewinner Cambrium. 

     

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