Im Portrait | Drei Berliner Biotech Start-ups bei der Grünen Woche
Die Grüne Woche gehört zu den wichtigsten Veranstaltungen der Lebensmittelbranche in Europa. Die Traditionsmesse rund um Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau hat jährlich um die 300.000 Besucherinnen und Besucher, für die rund 1400 Aussteller aus 60 Ländern ihre Produkte präsentieren.
Seit dem Jahr 2018 gibt es auf der Grünen Woche auch die Startup-Days, die jungen innovativen Unternehmen ein Forum geben, auf dem sie die Möglichkeit haben ihre Produkte vorzustellen. Dafür werden aus den sich bewerbenden Start-ups durch eine Expertenjury die zehn spannendsten und innovativsten Unternehmen ausgewählt. Diese pitchen dann mit kurzen Beiträgen und Nachfragen aus dem Publikum, um den Sieg. Zudem haben sie für die Startup-Days oft auch einen kleinen Stand auf der Messe.
Fast 30 Unternehmen haben sich in diesem Jahr für die Startup-Days beworben, unter den zehn ausgewählten sind auch drei Berliner Biotech Start-ups. Mit dabei sind: Esencia Foods, Nosh.bio und SAFIA – ihre Produkte reichen von Proteinen aus Pilzen bis zu Schnelltest für Lebensmittel. Wir stellen die Biotech-Finalisten vor.
Fisch und Fleisch aus Pilzen
Bei Esencia Foods wird aus Pilzen – Myzelien – Fleisch- und Fischersatz. „Wir waren mit den Fleischalternativen, die es gibt, einfach nicht zufrieden – geschmacklich und auch vom Preis her“, sagt Hendrik Kaye über eine Hauptmotivation sich 2022 mit der Gründung Escencia Foods in die Lebensmittelindustrie zu wagen. Er hat zusammen mit Bruno Scocozza das Start-up gegründet. Scocozza hat einen Doktor in Biophysik und professionell als Koch gearbeitet. „Wir wollten Wissenschaft und Kochen zusammenbringen. Dafür haben wir viel ausprobiert, angefangen in unseren eigenen Küchen bis hin zu intensiven Gesprächen mit Vertretern aus der Industrie und Produktion“, erzählt Kaye.
Im Jahr 2023 konnten die beiden dann ein Patent anmelden, Fleisch nachzubilden. Dafür nutzen sie ein bestimmtes Myzelium – die Wurzel von Pilzen – ein Vorteil davon ist, dass es von vornherein in einer komplexen Struktur wächst, die es erlaubt die Muskelfasern von Fleisch nachzubilden. Damit sind die beiden auf einem vielversprechenden Weg. „Wir konnten bereits in ausgewählten Restaurants erste Piloten unserer Produkte testen. Unser Fokus liegt derzeit darauf erste Produkte zum Ende dieses Jahres in die professionelle Gastronomie zu bringen“, sagt Hendrik Kaye. Verbunden damit arbeiten die Gründer gerade daran ihre Produktion zu skalieren, weiter an ihren Produkten zu feilen und ihre Methode zur Fleischersatzherstellung bekannter zu machen. „Um sich einem größeren Publikum zu präsentieren und auch das eigene Produkt besser verständlich zu machen, wenn dazu Nachfragen kommen, ist für uns immer eine super Gelegenheit, um dazuzulernen und Aufmerksamkeit zu generieren. Wir freuen uns bei den Startup-Days der Grünen Woche dabei zu sein“, sagt Kaye.
Die entscheidende Zutat im Veggie-Segment
Fleischersatz aus Pilzen ist auch der Ansatz von Nosh.bio. Das Start-up liefert die Zutaten, um fleischähnliche Produkte herzustellen. „Unser Antrieb ist es tierfreie Produkte konkurrenzfähig zu machen, um die CO2-Bilanz der Lebensmittelindustrie zu verbessern“, sagt Tim Fronzek Co-Founder und CEO von Nosh.bio. Dafür setzt das Unternehmen auf einen Fadenpilz, dessen Protein verwendet wird, um Basisstoffe für die Nahrungsmittelhersteller zu gewinnen, mit denen diese Fleischersatzprodukte herstellen können. „Ein eigens entwickeltes Fermentations- und Nachbehandlungsverfahren ermöglicht es, schmackhafte und nährstoffreiche Produkte mit einer kurzen Zutatenliste zu produzieren“, erklärt Tim Fronzek. Er selbst bringt in das Unternehmen unter anderem seine Erfahrungen als Gründer ein – er hat den Online-Gebrauchtwaren-Verkauf Rebuy mit aufgebaut. Sein Mitgründer Dr. Felipe Lino ist Mikrobiologe und bringt zusammen mit anderen das wissenschaftliche Know-how bei Nosh.bio ein. Mittlerweile hat das Unternehmen 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
2022 gegründet, hat Nosh.bio schon viel erreicht. Im vergangenen Jahr konnte unter anderem eine langfristige Kooperation mit der Zur Mühlen Gruppe (bekannt für Fleisch- und Wurstwaren-Marken wie Böklunder und Gutfried) vereinbart werden. Zudem will sich Nosh.bio bei der Produktion unabhängiger machen, dafür entsteht derzeit in einer alten Brauerei bei Dresden die erste eigene Produktionsstätte. „In diesem Jahr wollen wir den Markteintritt schaffen und erste Produkte auf Basis unserer Zutaten in die Supermarktregale bringen“, sagt Tim Fronzek. Für die Zukunft ist darüber hinaus noch die weitere Skalierung der Produktion sowie Expansion geplant. „Auf diesem Weg sind die Startup-Days bei der Grünen Woche eine gute Station, denn wir können hier erneut vielen Menschen unser Produkt zeigen. Außerdem ist der Umstand, dass wir unter den Finalisten sind, eine tolle Bestätigung für unser Team“, sagt Fronzek.
Sichere Lebensmittel mit schnellem Test
Dass nur gute Zutaten ihren Weg in Lebensmittel finden, liegt auch den Gründern von SAFIA am Herzen. Sie haben einen Mykotoxin-Schnelltest entwickelt. Mit dessen Hilfe können unterschiedliche Schimmelpilzgifte in Lebensmitteln oder Rohstoffen wie Getreide in kurzer Zeit nachgewiesen werden. „Für diese Art von Tests gibt es in der Industrie natürlich schon Lösungen, da Höchstmengen für Mykotoxine gesetzlich vorgeschrieben sind. Gerade solche Multiplextechnologien, die Tests auf unterschiedliche Schimmelpilzgifte ermöglichen, sind jedoch kompliziert und teuer. Wir bieten eine kostengünstige, präzise und schnelle Alternative“, erklärt Mitgründer Timm Schwaar. Ein weiterer Vorteil ist, dass auch weniger geschultes Personal die Tests durchführen kann, weil dafür keine komplexen technischen Geräte notwendig sind.
Safia wurde 2022 gegründet und ist bereits seit 2023 am Markt aktiv. Die Test-Kits produziert das Unternehmen mit fünf Mitarbeitern in einem 100 m²-Labor in Berlin, auch die Weiterentwicklung findet dort statt. Bis zum Ende des Jahres will das Start-up Kapital für die Skalierung der Produktion einsammeln. „Wir wollen auch weitere Produktsegmente erschließen. Derzeit sind wir dabei, einen Test für die Saftproduktion zu entwickeln“, sagt Timm Schwaar. An Veranstaltungen ähnlich zu den Startup-Days der Grünen Woche, haben sie bei SAFIA schon das eine oder andere Mal teilgenommen. „Das sind immer tolle Events, um zu netzwerken. Außerdem kann man dort viel lernen, da man sein Produkt vor einem Publikum challengen muss“, sagt Timm Schwaar.
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