Interview | Astrid Lurati Vorstand Finanzen und Infrastruktur der Charité

Dass die Charité eine medizinische Einrichtung ist, die bei Kompetenz, Lehre und Forschung sowie medizinischer Versorgung international einen guten Ruf genießt, ist unbestritten. Für 2025 belegt sie beispielsweise im Ranking der amerikanischen Zeitschrift Newsweek Platz 7 unter den besten Kliniken weltweit. Wie es hingegen mit der volkswirtschaftlichen Wirkung der Charité aussieht, zeigt nun eine jüngst veröffentlichte Studie der DIW Econ (ein Tochterinstitut des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung) im Auftrag der Charité. Wir haben mit Astrid Lurati, Vorstand Finanzen und Infrastruktur der Charité, über die Studie und ihre Ergebnisse gesprochen.
1. Wie kam es zu der Studie über die ökonomische Wirkung der Charité?
Zum Ende des vergangenen Jahres wurde klar, dass das Land Berlin bei seinen Zuschüssen noch mehr sparen will. Bereits 2023 sowie auch 2024 hatte die Charité weniger Zuschüsse für Investitionen in den Erhalt, die Erneuerung und Schaffung von Infrastruktur erhalten, als benötigt wurde und dies könnte sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Ab 2025 soll überdies der Landeszuschuss für Forschung und Lehre strukturell gekürzt werden. Deshalb haben wir unabhängig prüfen lassen, in welchem Umfang ein vom Senat in die Charité investierter Euro einen Mehrwert im Sinne einer realen Wertschöpfung für das Land Berlin und darüber hinaus generiert. Das Ergebnis der Studie soll eine weitere Grundlage für die zukünftigen Zuweisungsentscheidungen und Finanzmittelressourcenallokation des Landes zu Gunsten der Charité schaffen. Zugleich kann die Studie auch im Hinblick auf alternative Finanzierungsmodelle, die in Ermangelung ausreichender Fördermittel zur Finanzierung von notwendigen Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt werden müssen, bei den jeweiligen Investitionsgenehmigungen eine unterstützende Rolle spielen.
2. Welche Ergebnisse haben Sie besonders überrascht?
Was die Ergebnisse in puncto Qualität in der medizinischen Versorgung und Forschung anbelangt, entspreche sie unseren Erwartungen. Genauso die Tatsache, dass die Fördermittelbereitstellung des Landes einen erheblichen ökonomischen Nutzen für das Land Berlin stiftet. Überraschend hingegen war die Höhe der Bruttowertschöpfung für jeden investierten Euro aus Landesmitteln. Diese liegt bei einem ungefähren Faktor von vier, d.h. für jeden Euro, den das Land in die Charité investiert, erhält es vier zurück. Bundesweit sind es sogar mehr als 6 Euro. Ebenfalls überraschend war, wie groß der ökonomische Gewinn durch Wissenstransfer ist, der durch die Arbeit der Charité in der Forschung, Ausbildung von Fachkräften sowie durch Ausgründungen entsteht. 2023 wurden dadurch in Berlin circa 688 Millionen Euro generiert, das entspricht rund 0,4 Prozent der Wirtschaftsleistung der Stadt. Ein Umstand, der uns darin bestärkt, künftig noch einen stärkeren Fokus auf Ausgründungen zu legen.
3. Was bedeuten die Ergebnisse für den Cluster Gesundheitswirtschaft?
Die Ergebnisse unterstreichen erneut, dass die Charité eine starke Einrichtung ist, die auf vielen Ebenen einen wichtigen Faktor für die Region und darüber hinaus darstellt. Für das Cluster bedeutet dies aus meiner Sicht, dass wir Netzwerke weiter ausbauen müssen. Das heißt auch, stärker dranzubleiben, wenn es darum geht, Kooperationen beispielsweise zwischen Wirtschaft und Forschung nicht nur anzubahnen, sondern auch auszugestalten und fortlaufend weiterzuentwickeln. In dieser Hinsicht kommen Bemühungen manchmal nicht über Absichtserklärungen hinaus. Die Studie zeigt auch die Bedeutung der gesamten Gesundheitswirtschaft für Berlin-Brandenburg, vor diesem Hintergrund könnte es auch sinnvoll sein, im privaten Sektor um mehr Engagement zu werben.
4. Wir, das Clustermanagement HealthCapital, unterstützen ja an der Schnittstelle Wissenschaft/Wirtschaft. Wo können wir unsere Arbeit verstärken?
Die bereits bestehende Unterstützung funktioniert sehr gut. Einen möglichen Ansatz zur Verstärkung sehe ich darin, noch konkreter Themen zu benennen, die dann fokussiert bearbeitet werden. Dazu müssen die jeweils relevanten Akteure benannt und zusammengebracht werden. Des Weiteren wäre sinnvoll, die Suche nach Kooperationspartnern auch auf Akteure aus anderen Bundesländern auszuweiten.
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Zur Person:
Astrid Lurati ist seit Mai 2016 Mitglied des Vorstandes der Charité Universitätsmedizin Berlin, zunächst als Direktorin des Klinikums und seit 2020 verantwortet sie als Vorstandsmitglied für Finanzen und Infrastruktur die Gesamtwirtschaftsführung der Charité. Dazu gehören die Wirtschafts-, Finanz- und Investitionsplanung aller Teilwirtschaftspläne der Charité und die Konsolidierung der Jahresabschlüsse. Darüber hinaus verantwortet sie die konzernweite Infrastrukturunterhaltung und -entwicklung einschließlich aller Großbaumaßnahmen, Liegenschaftsangelegenheiten sowie den Nachhaltigkeitsbereich. Sie ist Aufsichtsratsvorsitzende der Konzernbeteiligungen Charité Facility Management und der Labor Berlin Gesellschaften. Astrid Lurati ist Diplom Kauffrau der Universität Hamburg und hat einen Master of Pharmaceutical Medicine der Universität Witten-Herdecke.