Im Portrait | domino-coaching™ Studie – Pflege älterer Menschen neu denken

In Pflegeheimen steht meist die Versorgung älterer Menschen im Vordergrund, Rehabilitation und der Weg zurück in die Selbstständigkeit sind dabei kein Thema. Bei domino-worldTM ist das anders – hier sollen Pflegebedürftige ihre Selbstständigkeit so weit wie möglich wieder erlangen. Inwiefern sich dieser Ansatz und seine Methoden auch an andere Pflegeeinrichtungen weitergeben lassen, wird zurzeit in einem Forschungsprojekt untersucht.

    Pflege für ältere Menschen, das bedeutet in der Regel die 24-stündige Versorgung mit allem Notwendigen und etwas Freizeitgestaltung. Rehabilitation ist dabei in den meisten Fällen nicht vorgesehen. Warum eigentlich nicht? Das Forschungsprojekt „Pflege verbessern und Selbständigkeit wiederherstellen durch Motivation und Rehabilitation (domino-coaching™ Studie)“ untersucht rehabilitative Pflege unter pflegefachlichen, betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Aspekten. Ziel des an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin angesiedelten Projektes ist es, Methoden zur Rehabilitation zu entwickeln, die den Pflegebedürftigen ihre Selbständigkeit so weit wie möglich zurückgeben. Als Partner beteiligen sich neben der HTW Berlin auch die Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH) und die domino-coaching Stiftung. Gefördert wird die Studie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. 

    Anderes Bild der Pflege älterer Menschen 

    Bei domino-worldTM wird ein solcher alternativer Ansatz in der Pflege schon seit mehr als 25 Jahren gelebt. In den 12 Einrichtungen im Großraum Berlin – sogenannte stationäre Clubs, ambulante Centers und Day Care Centers (Tagespflegeeinrichtungen) – geht es darum, den Gesundheitszustand von älteren pflegebedürftigen Menschen zu verbessern, circa 2500 Pflegebedürftige werden hier täglich versorgt. Dem liegt ein anderes Bild der Pflege als das allgemein übliche zugrunde: Die Pflege konzentriert sich hier nicht darauf, was der ältere Mensch nicht mehr kann, sondern darauf, was er wieder können soll. „Bei der Aufnahme von neuen Pflegebedürftigen in eine unserer stationären Einrichtungen findet ein Evaluationsgespräch statt, in dem wir die jeweils individuellen Möglichkeiten und Ziele festlegen“, sagt Lutz Karnauchow von der domino-coaching Stiftung. Kernelement in diesem Aufnahmeprozess ist neben den sogenannten Assessments (den Gesundheitszustand betreffende Beurteilungsinstrumente) das individuelle Entwicklungsziel. Dabei handelt sich um eine Zukunftsvision, die zusammen mit den Pflegebedürftigen entwickelt wird. Dies kann zum Beispiel eine Reise zu einem Ort sein, an dem er oder sie schon einmal war. Dieses Ziel wird auch visualisiert, etwa durch eine Zeichnung oder Kollage und dient neben der Motivation auch der Ausarbeitung des anstehenden Rehabilitationsprozesses. Der Weg zum Ziel wird in erster Linie durch gezielte therapeutische Bewegung und durch psychologische Unterstützung beschritten. Ein Coach – so werden die Mitarbeitenden bei domino-worldTM bezeichnet – begleitet die Pflegebedürftigen dafür jeweils vom ersten Tag an, im besten Fall bis zu ihrer Entlassung in die Häuslichkeit. 

    „Das klingt im ersten Moment zwar ungewohnt, aber eine Entwicklung zu einem physisch und psychisch besseren Zustand ist eine Entwicklung, die jeder Mensch in jedem Alter nehmen kann. Gezielte Bewegung und Motivationspsychologie können immer Fortschritte erzielen und seien sie auch noch so klein“, sagt Lutz Karnauchow. An der Studie mit der HTW Berlin und der ASH nehmen rund 60 Personen teil, die in stationären Einrichtungen von domino-worldTM leben, von ihnen schafften es bisher sogar 50 Prozent wieder auszuziehen. „Es ist natürlich so, dass einige der Menschen, die durch unser Training gegangen sind, auch nach dem Auszug weiter Unterstützung benötigen, aber sie kehren weitestgehend selbstständig in die Häuslichkeit zurück“, sagt Karnauchow. Grundsätzlich würde der gesamte Prozess mehr Aufwand und Arbeit für die Pflegekräfte bedeuten, ihre Arbeit im Gegenzug aber auch erheblich aufwerten. „Wir haben einen geringeren Krankenstand und auch eine niedrigere Fluktuation bei unseren Mitarbeitenden, als das sonst in der Branche in Deutschland der Fall ist“, sagt Karnauchow. 

    Weitergabe von Wissen 

    Pflege auch als Rehabilitation zu betrachten und das Alter positiv zu sehen, ist etwas, das in Politik und Gesellschaft noch wenig vorkommt. Die domino-coaching Stiftung hat es sich deshalb in den vergangenen Jahren zur Aufgabe gemacht, in dieser Hinsicht mehr Aufklärungsarbeit zu leisten. Dafür gibt es unter anderem die „Wind of Change: Paradigmenwechsel für die Altenpflege“-Konferenzen, auf denen Menschen und Projekte vorgestellt werden, die den rehabilitativen Pflege-Ansatz teilen. Auch das Projekt domino-coaching™ Studie wurde in diesem Sinne zusammen mit der HTW Berlin und der ASH entwickelt. Neben der Evaluierung der Maßnahmen in den Einrichtungen von domino-worldTM, sollen die Methoden der rehabilitativen Pflege so aufbereitet werden, dass sie an andere Pflegeeinrichtungen weitergegeben werden können. „Wir haben in den vergangenen 25 Jahren viele Dinge im Detail entwickelt und vieles ist sehr komplex, daher müssen unsere Prozesse und Methoden für die Weitergabe auch etwas gestrafft werden. Hier erhoffen wir uns von den Hochschulen innerhalb der Studie Unterstützung“, sagt Lutz Karnauchow. Das Projekt ist Mitte des vergangenen Jahres angelaufen und soll im November dieses Jahres enden. Wenn alles steht, soll die Weitergabe non-profit erfolgen, da die domino-coaching Stiftung gemeinnützig ist. 

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