Im Portrait | Wie sieht die Gesundheitsversorgung auf dem Land in Zukunft aus? – Das Fraunhofer ZDD® sucht nach Antworten

Im Fraunhofer-Zentrum für Digitale Diagnostik ZDD® wird von Potsdam-Golm aus an Lösungen für die Gesundheitsversorgung auf dem Land gearbeitet. Neue digitale und technische Lösungen sollen von hier aus ihren Weg in die Regelversorgung finden.

 

 

 

 

Die Herausforderung, die das Fraunhofer-Zentrum für Digitale Diagnostik ZDD® adressiert, gehört zu den großen der aktuellen Zeit in Deutschland: Die medizinische Versorgung im ländlichen Raum verbessern und auch in Zukunft weiterhin flächendeckend ermöglichen. Dafür wird im ZDD® an Kompetenzen, Technologien und Lösungen gearbeitet, die sich in erster Linie mit den diagnostischen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung auf dem Land auseinandersetzen. Mit diesem Ziel wurde das Fraunhofer ZDD® 2021 gegründet. Vor dem Eindruck der Corona-Pandemie entschloss sich der Bund, dass Zentrum über fünf Jahre mit 30,5 Million Euro zu fördern, nach 2025 wird sich die Finanzierung voraussichtlich aus Mitteln des Landes Brandenburg, des Bundes, der Fraunhofer-Gesellschaft sowie Beteiligungen aus der Wirtschaft zusammensetzen.

Verbund aus drei Instituten

Das Fraunhofer ZDD® mit Sitz in Potsdam-Golm forscht nicht allein. Es steht an der Spitze eines virtuellen Verbunds aus insgesamt drei Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft: dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI (Leipzig), dem Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE (Kaiserslautern und dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse IZI-BB (Potsdam-Golm). Diese drei Kerninstitute bilden die gesamte digital-diagnostische Wertschöpfungskette ab, welche von der diagnostischen Datenerhebung über das sichere und regelkonforme Datenmanagement bis hin zur intelligenten Dateninterpretation und Systemen zur Unterstützung der medizinischen Entscheidungsfindung reicht.

Vernetztes Versorgungskonzept

„Das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung bringt einen Anstieg der Krankheitsbilder hin zu mehr chronischen Erkrankungen und zunehmender Multimorbidität mit sich. Das wiederum erfordert mehr ärztliche Betreuung. Parallel sinkt die Zahl der Hausärzte im ländlichen Raum. Dies wird sich durch die Verknappung des Nachwuchses auf absehbare Zeit nicht ändern“, sagt Dr. Ullrich Stein, Leiter der Geschäftsstelle des ZDD®. „Unser Ansatz ist es dieser Entwicklung durch ein umfassendes Versorgungskonzept – aus mobiler Diagnostik, Telemedizin und einem digitalen Ökosystem zur Vernetzung aller Beteiligten – entgegenzusteuern, um so die Zahl der unnötigen

Arztbesuche zu reduzieren und die medizinische Betreuung effizienter zu gestalten. Auf diesem Weg ließe sich eine gute gesundheitliche Versorgung gewährleisten, weil so weniger medizinisches Personal mehr schaffen könnte.“ Die Modellregion, um solche Lösungen zu erproben, ist Brandenburg.

Tests in der Praxis

Im ZDD® wird aktuell in mehreren Projekten zu unterschiedlichen Aspekten der Patientenversorgung geforscht. „Eins setzt sich mit smarter und bedarfsorientierter Wundversorgung auseinander. Hier arbeiten wir beispielsweise mit einer intelligenten Wundauflage. Wunden, die nicht verheilen, müssen regelmäßig von medizinischem Fachpersonal begutachtet und neu versorgt werden. Bisher ist es so, dass jemand alle drei bis fünf Tage oder sogar täglich kommt, um sich die Wunde anzuschauen und dann den Verband erneuert. Das kann aber auch mal zu früh oder zu spät sein. Eine intelligente Wundauflage überwacht den Status der Wunde und gibt ein Signal, wenn etwas erneuert werden muss, so lassen sich unnötige Wege vermeiden und die Versorgung wird parallel verbessert, da nur gehandelt wird, wenn es nötig ist“, erklärt Stein.

Getestet werden unter anderem auch die Gewinnung von Gesundheitsdaten über Wearables wie etwa Smartwatches sowie die Abgabe und Auswertung von Proben an Abgabestellen, die im ländlichen Raum Roboter-gestützte Analysen durchführen. Damit einher geht auch immer die Arbeit an Lösungen, um die gewonnenen Daten zielgerichtet und gut aufbereitet an die wichtigsten Beteiligten wie zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte oder medizinische Dienste weiterzuleiten.

Hier besteht die Herausforderung auch darin, neue Systeme in bereits bestehende zu integrieren. „Bei all dem ist es nicht unser Ziel, Ärztinnen und Ärzte zu ersetzen, sondern ihnen mehr Zeit mit den Patientinnen und Patienten zu ermöglichen – indem bereits vor dem Kontakt so viel wie möglich geklärt ist und mehr Zeit für Gespräche bleibt“, erklärt Stein. Denn diese seien für die Ermittlung der Ursachen von Beschwerden essenziell und es fehle dennoch oft die Zeit dafür.

Um diese Forschung zielführend zu gestalten, steht das ZDD® im Austausch mit wichtigen Stakeholdern wie Patientinnen und Patienten, der Ärzteschaft sowie Diagnostikunternehmen. Diese waren auch bei einem Stakeholder Workshop mit rund 100 Teilnehmern im Juli 2023 zu Gast am Fraunhofer IZI-BB, bei dem das ZDD® seine Projekte vorstellte. „Ziel war es, unsere wichtigsten Stakeholder über den ohnehin bestehenden Austausch hinaus zu informieren. Zudem konnten wir bereits laufende Projekte gemeinsam evaluieren und es ist uns gelungen, einzelne Aspekte in den Projekten zu optimieren“, blickt Stein zurück.

In Zukunft sollen die Lösungen, an denen geforscht wird, ohnehin noch stärker im Austausch und in der Zusammenarbeit mit der Gesundheitswirtschaft sowie Medizinern und Patienten weiterentwickelt werden. In Kontakt mit Unternehmen steht das ZDD® schon heute und ist immer offen für gewinnbringende Zusammenarbeit mit Protagonisten aus der Praxis, die bereit sind neue Entwicklungen zu testen oder eigene Innovation weiterzuentwickeln. Die Fraunhofer-Institute sowie der Standort in Potsdam-Golm bieten dafür beste Voraussetzungen, wie Ullrich Stein sagt: „Die Fraunhofer-Gesellschaft und unsere Kerninstitute bieten uns beste Bedingungen, um unser Anliegen auf hohem Niveau voranzubringen, da hier viel Knowhow zusammenkommt und wir potenziell auf einen enorm großen Forschungskomplex zugreifen können. Unser physischer Standort wiederum bietet uns das Beste aus beiden Welten: Wir sitzen in einem Bundesland, in dem die von uns adressierten Probleme schon heute zur Realität gehören und haben parallel mit Berlin einen zentralen, innovativen Standort der Gesundheitswirtschaft mit dem entsprechendem Clustermanagement ,HealthCapital Berlin-Brandenburg´ direkt vor der Tür.“

 

Weiterführende Links:

Webseite ZDD

Stakeholder Workshop ZDD