So klappt gute Arbeit im Homeoffice
n den letzten Wochen und Monaten wurde vermehrt über die Belastung von Beschäftigten bei mobiler Arbeit, derzeit also vor allem im Homeoffice, berichtet. Tatsächlich birgt die Arbeit zu Hause erhebliche Gefahren, etwa durch psychische Überlastung, Vereinsamung oder Karrierenachteile. Allerdings können diese Risiken abgewendet werden, wenn klare betriebliche Regeln geschaffen und die notwendigen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Das ergibt eine neue Studie von Forscherinnen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) und des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung.
Vor der Coronakrise arbeiteten nur 17 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland gelegentlich, überwiegend oder ausschließlich von zu Hause aus. In der Pandemie, da mobile Arbeit und Homeoffice helfen, Kontakte und Infektionen zu vermeiden, ist dieser Anteil deutlich gestiegen: Ende Januar 2021 waren es 38 Prozent, im April 2020 lag die Quote mit 44 Prozent sogar noch ein wenig höher. Das zeigt die Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung. Die Forscherinnen aus WSI und I.M.U. haben die Angaben der Interviewten im Detail ausgewertet. Ihre neue Studie liefert Antworten auf eine Reihe von Fragen: Wer arbeitet im Homeoffice? Wie zufrieden sind die Beschäftigten damit? Welches sind die Vorteile und was die Probleme? Daraus lässt sich ein Katalog mit den Kriterien ableiten, die für Gute Arbeit am heimischen Schreibtisch auch jenseits der Corona-Ausnahmesituation erfüllt sein müssen.
Wesentliche Aspekte dabei: Mobile Arbeit und Homeoffice müssen freiwillig sein. Am besten funktioniert eine Mischung aus Arbeit im Betrieb und daheim, der Präsenzarbeitsplatz darf also nicht verschwinden. Außerdem zentral: Klare, faire Regeln, etwa zur Einschätzung der Arbeitsleistung bei mobiler Arbeit oder zu den Grenzen der Erreichbarkeit, die verhindern, was viele Befragte kritisieren: Dass Arbeits- und Freizeit im Homeoffice ineinanderfließen. Solche Regeln sind am wirksamsten, wenn sie kollektiv für alle festgelegt werden, etwa in Form von Betriebsvereinbarungen zwischen Management und Betriebsrat. Das ist nach Analyse der Forscherinnen ein Grund, warum Befragte aus mitbestimmten Unternehmen spürbar häufiger von guten Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice sprechen.
Die Untersuchung beruht auf den Angaben von über 4600 abhängig Beschäftigten, die im April, Juni und November 2020 sowie im Januar 2021 befragt wurden, ergänzt durch eine Analyse von 67 Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die in Betrieben und Verwaltungen mobile Arbeit regeln.
Wer von zu Hause arbeitet
Homeoffice war vor Corona „ein Arrangement, das einer sehr privilegierten Gruppe von Beschäftigten zu Teil wurde“, schreiben die Wissenschaftlerinnen. Das habe sich zwar geändert, aber nach wie vor arbeiten hochqualifizierte Angestellte häufiger im Homeoffice als andere Beschäftigte. Fast 40 Prozent derjenigen, die zu Hause arbeiten, haben einen Hochschulabschluss; gemessen an allen Befragten liegt der Anteil der Studierten nur gut halb so hoch. Arbeiter sind kaum im Homeoffice tätig. Generell sind Menschen mit hohen Einkommen überrepräsentiert. Sie haben im Durchschnitt größere Wohnungen und öfter einen Garten. Frauen sind etwas seltener im Homeoffice als Männer.
Aus naheliegenden Gründen ist Homeoffice im Handel, Gesundheits- oder Sozialwesen wenig verbreitet, während Beschäftigte im Finanzwesen, in Medien oder IT-Berufen häufiger ihre Jobs daheim erledigen. Vergleichsweise schwach ausgeprägt war die Heimarbeit im öffentlichen Dienst, wo nach dem April 2020 relativ viele Beschäftigte aus dem Homeoffice in die Betriebe zurückgekehrt sind – was nach Einschätzung der Forscherinnen von WSI und I.M.U. mit fehlender technischer Ausstattung zu tun haben könnte. Zuletzt ist die Homeoffice-Quote hier jedoch wieder gestiegen.
Zufriedenheit mit dem Homeoffice
Menschen, die von zu Hause arbeiten konnten, fanden ihre Arbeitssituation gerade während der Sondersituation in der Coronazeit weniger belastend als Beschäftigte, die durchgehend den Betrieb aufsuchten. Fast die Hälfte der Befragten im Homeoffice möchte auch in Zukunft gern von zu Hause arbeiten. Dies deute auf eine „hohe Zufriedenheit und Offenheit gegenüber dem Homeoffice“ hin, so die Forscherinnen.
Dennoch ist beim Homeoffice nach Einschätzung der Betroffenen längst nicht alles Gold. Dass vieles chaotisch läuft, zeigt sich unter anderem daran, dass 71 Prozent sagen, ihr Arbeitgeber sei auf die Einführung oder Ausweitung von Homeoffice nicht gut vorbereitet gewesen. Der Anteil der Beschäftigten, die Heimarbeit anstrengender finden als Arbeit im Büro, liegt immerhin bei knapp einem Drittel. Mehr als drei Viertel vermissen den persönlichen Austausch mit den Kollegen, und diese Quote ist auf hohem Niveau im Laufe der Pandemie noch etwas gestiegen – Telefon, Mail und Video sind kein hinreichender Ersatz für das Gespräch von Angesicht zu Angesicht.
Ein weiteres Problem ist das Verschwimmen der Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. 39 Prozent machen im Homeoffice Überstunden, mehr als die Hälfte gibt an, für den Arbeitgeber länger erreichbar zu sein als im normalen Präsenzbetrieb. Besonders Beschäftigten mit jüngeren Kindern macht die Entgrenzung zu schaffen. Andererseits ist es gerade diese Gruppe, die Vorteile bei der Vereinbarkeit von Job und Familie sieht. So würden viele Befragte mit Kindern in Zukunft gern weiterhin einen Teil der Arbeit zu Hause erledigen, aber gleichzeitig wieder mehr Stunden im Betrieb verbringen.
Gute mobile Arbeit: Die Rahmenbedingungen
Aus den Ergebnissen der Befragung lassen sich Faktoren ableiten, die für gute Arbeitsbedingungen im Homeoffice – auch nach Corona – entscheidend sind. Die wichtigsten Punkte aus Sicht der Forscherinnen:
- Homeoffice braucht klare Regeln. Am besten auf Basis von Betriebsvereinbarungen, die der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat schließt. Arbeitszeit, Anforderungen an die Erreichbarkeit, technische Ausstattung und vieles mehr können auf diese Weise geregelt und somit Unsicherheit und Stresspotenzial reduziert werden. In mitbestimmten Betrieben berichten Beschäftigte daher überdurchschnittlich häufig über positive Erfahrungen mit dem Homeoffice. In Betrieben mit Betriebsrat tun dies 86 Prozent, im Durchschnitt nur 77 Prozent.
- Das Arbeitszeit- und das Arbeitsschutzgesetz gelten auch im Homeoffice. Mehr Freiheit bei der Arbeitszeitgestaltung ja, aber keine ständige Erreichbarkeit. Höchstarbeitszeiten und Ruhepausen müssen auch bei mobiler Arbeit eingehalten werden. Insbesondere die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zwischen zwei Arbeitstagen muss auch im Homeoffice „ausnahmslos gelten“, so die Forscherinnen.
- Arbeit im Homeoffice sollte freiwillig sein. Beschäftigte sollten selbst entscheiden können, ob und wann sie einen Teil ihrer Aufgaben zu Hause erledigen.
- Am besten funktionieren Homeoffice und Präsenz im Betrieb in Kombination. Hilfreich wären festgelegte Tage, beispielsweise 2 Tage pro Woche zu Hause und 3 Tage im Betrieb, eine Erklärung, weshalb Präsenzarbeitsplätze nicht verschwinden dürfen.
- Für mobile Arbeit sind klare Beurteilungskriterien von hoher Bedeutung. Einen wirklichen Vorteil in Sachen Work-Life-Balance haben Beschäftigte nur, wenn sie auch im Homeoffice sicher einschätzen können, welche Erwartungen an sie gerichtet sind und ob ihre Arbeitsleistung den Anforderungen genügt. Dazu sollten „konkrete, erreichbare und messbare Arbeitsziele“ festgelegt werden, die sich an einer geeigneten Arbeitsaufgabe oder Tätigkeit orientieren.
- Auch im Homeoffice ist Unterstützung durch Vorgesetzte entscheidend. Dazu sind etwa Schulungen des Führungspersonals im Umgang mit mobiler Arbeit hilfreich. Beschäftigte sollten sich auch daheim nicht allein gelassen fühlen. Damit Vorgesetzte dies leisten können, sind Schulungen zum Thema „Führen auf Distanz“ sinnvoll und notwendig.
- Eine fortlaufende Qualifizierung der Beschäftigten darf auch im Homeoffice nicht unter den Tisch fallen. Insbesondere ist hier an ältere Beschäftigte zu denken, die sich mit der plötzlichen Umstellung auf digitale Arbeits- und Kommunikationstechniken noch schwertun. Zudem sollte bei Weiterbildungen ein größerer Fokus auf gutes mobiles Arbeiten gesetzt werden, wie zum Beispiel Verhindern von entgrenztem Arbeiten.
- Homeoffice ist kein Ersatz für institutionelle Kinderbetreuung. Die Doppelbelastung aus Homeschooling und Homeoffice hat in vielen Familien, besonders bei Müttern, zu starkem Stress geführt. Ein Ausbau der Homeoffice-Möglichkeiten dürfe daher, so die Forscherinnen, nicht dazu führen, dass Kinderbetreuungsplätze eingespart werden. Vielmehr zeigen die Auswertungen, dass die Überlastungssituation im Homeoffice auch aus der fehlenden Kinderbetreuung rührt.
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