Interview | Dr. med. Christine Mundlos, M.Sc., Stellv. Geschäftsführerin, ACHSE e.V.

Mit dem Blick der Betroffenen – Die ACHSE gegen Seltene Erkrankungen

Die studierte Medizinerin Christine Mundlos hat einigee Jahre ihres Berufslebens in Australien und den USA verbracht, bevor sie ihr Weg nach Berlin führte. Nach einem weiteren Studium und einem Master-Abschluss in Wissenschaftsmarketing und -kommunikation nahm sie 2008 bei der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V. ihre Arbeit auf. Mit ihrem medizinischen Hintergrund passte sie gut in die neue Funktion als Schnittstelle zur Medizin, Forschung und Wissenschaft. Heute füllt Christine Mundlos diese Funktion immer noch als stellvertretende Geschäftsführerin aus und steht dabei auch ihren Kolleginnen und Kollegen aus der Ärzteschaft bei Fragen zu Seltenen Erkrankungen mit Rat und Tat zur Seite. Wir haben mit ihr über Projekte und die Arbeit der ACHSE gesprochen. 

1. Welche Ziele verfolgt die ACHSE?  

Unsere Ziele orientieren sich an all dem, was rund um  seltene Erkrankungen noch verbessert werden muss, das reicht von einer größeren Bekanntheit dieser Krankheitsgruppen an sich bis hin zu einer angemessenenVersorgung von den Betroffenen. Wir geben Ihnen eine gemeinsame Stimme und unterstützen sie darin, ihre Bedarfe in  unserem Gesundheitssystem geltend zu machen. Da gibt es noch an vielen Stellen viel zu tun. Im Sinne einer politischen Interessenvertretung adressieren wir für unsere Mitglieder die übergreifenden Versorgungsprobleme bei Seltenen Erkrankungen i an die Politik. Wir sind vernetzt mit Medizinerinnen und Medizinern, pharmazeutischer Industrie sowie der Patientenselbsthilfe, um so Forschung und Versorgung mehr auf die Erfordernisse der Betroffenen abzustimmen. 

2. Sie haben eine beeindruckende Liste an begleiteten Projekten auf Ihrer Website. Eines davon, TRANSLATE-NAMSE, wurde im vergangenen Jahr beendet. War es aus Ihrer Sicht erfolgreich?  

Das Projekt ist erfolgreich abgeschlossen worden. TRANSLATE-NAMSE hat dabei ein paar wesentliche Themen aus dem „Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen“ bearbeitet. So haben die eingebundenen Zentren für Seltene Erkrankungen an neun universitätsmedizinischen Standorten unter Beteiligung von Krankenkassen und ACHSE einen strukturierten Patientenpfad für Patientinnen und Patienten mit unklarer Diagnose innerhalb der Zentren etabliert.. Die abschließende Evaluation hat gezeigt, dass bei einem Drittel der 6.000 in dem Projekt behandelten Patientinnen und Patienten eine gesicherte Diagnose gestellt werden konnte – mithilfe der dort angewandten neuen Versorgungsformen. Das ist auch im internationalen Vergleich eine gute Zahl und damit ein Erfolg. Und für die Betroffenen von unschätzbarem Wert. Noch ist diese Versorgungsform aber nicht in der Regelversorgung angekommen, wird aber bereits von vielen Krankenkassen über Selektivverträge angeboten.

3. Ein weiteres Projekt aus Ihrer Liste ist CORD-MI. Was ist das Ziel des Projektes und wie läuft es derzeit?  

CORD-MI gehört zur großen Medizininformatik-Initiative (MII) in den deutschen Universitätskliniken und baut zum Teil auf TRANSLATE-NAMSE auf. Das Projekt hat zum Ziel, dass die Belange der Menschen mit Seltenen Erkrankungen bei der Weiterdigitalisierung der Universitätsmedizin Berücksichtigung finden. Insbesondere im Bereich der Seltenen Erkrankungen mit regelmäßig kleinen Fallzahlen ist es besonders wertvoll, lokal vorhandene Versorgungsdaten einrichtungsübergreifend und datenschutzkonform gemeinsam auszuwerten. Das dies prinzipiell funktioniert, konnte im Rahmen der 1. MII-Förderrunde gezeigt werden. Leider gibt es keine Anschlussförderung für CORD, sodass es jetzt einer Vielzahl anderer Vorhaben und deren Finanzierung bedarf, um an die vorhandenen Ergebnisse anzuknüpfen und die Datengrundlage koordiniert auszubauen.

4. Wie arbeitet die ACHSE mit den Projektpartnern zusammen? Wie unterstützt Ihr Verein dabei die Forschung?   

Als Dachorganisation von unterschiedlichen Selbsthilfeorganisationen für Seltene Erkrankungen konnten wir uns seit 2004 als einer der ersten Ansprechpartner für Patientinnen und Patienten, aber auch Medizin, Politik und Forschung etablieren. In diesem Sinne können wir Partnern in Projekten, die vor allem die gesamte Versorgungslage für Seltene Erkrankungen in den Blick nehmen, beratend zur Seite stehen. Wir bringen Erfahrungen und Wissen aus unserem Netzwerk in die Projektdurchführung ein vernetzen b. B. mit krankheitsspezifischen Organisationenund beteiligen uns in der Öffentlichkeitsarbeit.. Die Zusammenarbeit in Forschungsprojekten hat sich dabei auch intensiviert, da Institutionen, die Forschung fördern, in den vergangenen Jahren erkannt haben, dass es im Bereich der Patienten bezogenen Forschung – wie etwa bei klinischen Studien – sinnvoll ist die Patientenseite  in die Ausgestaltung der Projekte mit einzubinden. Denn es geht auch darum, Forschung mehr an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten auszurichten und damit praxisorientierter zu machen. Es ist schon lange ein Anliegen der Patientenselbsthilfe, dass mehr auf die Expertise der Betroffenen zurückgegriffen wird. Bei der Ausschreibung von Förderungen wird deshalb oft die Einbindung der Patientenseite als Voraussetzung gefordert, dies im Sinne der Patientinnen und Patienten zu gestalten, ist eine Herausforderung, der wir uns widmen.. 

5. Auf welche Hürden stoßen Sie bei Ihrer Arbeit und wie könnten diese aus ihrer Sicht abgebaut werden?  

Die ACHSE wird nicht institutionell gefördert und lebt als gemeinnütziger Verein von Spenden und Projektförderung. Das bedeutet, dass Geld für unseren Haushalt muss  Jahr um Jahr eingeworben werden. Also sind wir natürlich immer bemüht erfolgreiche Projekte über Förderungen weiterzuführen – so sehr wir uns das wünschen gelingt es doch nicht immer. Die Vielfalt der Probleme mit denen die Betroffenen in ihrem Versorgungsalltag zu kämpfen haben, erfordert aber auch immer wieder neue Themen zu bearbeiten. Dies sehen wir als eine für uns wichtige Aufgabe, für die es natürlich heute und zukünftig eine auskömmliche Finanzierung geben muss 

6. Wenn ein Unternehmen den ACHSE e.V. unterstützen will, wie und in welcher Form kann man sich dann an Ihre Organisation wenden?  

Der einfachste Weg die ACHSE zu unterstützen ist natürlich der Spenden-Button auf unserer Webseite. Für beschäftigen wir auch eine Fundraiserin, die Ansprechpartnerin für private Großspender und andere professionelle Kooperationen ist. Darüber hinaus stehen wir mit vielen verschiedenen Pharmaunternehmenfür Unterstützung im Rahmen von Sponsoring in Kontakt. Dies hilft uns bspw. unsere. Nationale Konferenz zu Seltenen Erkrankungen, die Ende  September zum 3. Mal stattfindet, durchzuführenNeben einer finanziellen Unterstützung unserer Arbeit, brauchen wir aber auch noch mehr aktive Mitstreiter:innen aus allen Bereichen, der Politik, Medizin und Wissenschaft, den Medien und der Öffentlichkeit.

 Weiterführende Links:

CORD-MI https://www.achse-online.de/de/was_tut_ACHSE/Projekte/CORD-MI.php