Malaria schneller, effektiver und umweltfreundlicher bekämpfen
Die Hoffnung: Das neue Produktionsverfahren könnte den Wirkstoff Artemisinin weltweit für Millionen Infizierte zugänglich machen. Das Besondere: Die Optimierungsidee lieferte die Pflanze, aus der der Wirkstoff gewonnen wird, selbst.
Chlorophyll als Katalysator
Bislang wird Artemisinin aus dem Einjährigen Beifuß (Artemisia annua) gewonnen. Den Max-Planck-Forschern um den Chemiker Prof. Dr. Peter H. Seeberger gelang es schon 2012, den Wirkstoff aus dem derzeit ungenutzten, in der Pflanze enthaltenen Vorläufer Dihydroartemisinsäure zu erzeugen, und zwar in einem kontinuierlichen und somit großtechnisch realisierbaren Prozess. Seeberger leitet die Abteilung Biomolekulare Systeme am MPIKG.
Ein Team um Dr. Kerry Gilmore und Peter Seeberger hat das Verfahren nochmals deutlich verbessert. Die Forscher brauchen den pflanzlichen Ausgangsstoff jetzt nicht mehr aufwendig zu reinigen. Sie setzen zudem das Chlorophyll der Pflanze als Katalysator ein, der die chemische Umsetzung ermöglicht. Bisher waren dafür teure und umweltschädliche Fotoaktivatoren notwendig. Somit können die Chemiker eine Lösung der Komponenten, so wie sie aus der Pflanze extrahiert wird, direkt in den kontinuierlichen Prozess einspeisen. So schaffen sie nun in weniger als 15 Minuten, was in der Pflanze natürlicherweise etwa drei Wochen dauert. Der Prozess ist nach Angaben der Forscher so effizient, dass sich damit das 50- bis 100-fache der natürlichen Konzentrationen an Dihydroartemisinsäure verarbeiten lässt.
Produktionskosten sollen deutlich sinken
Darum sind die Wissenschaftler aus Potsdam auch davon überzeugt, dass eine großtechnische Produktion kostengünstig zu machen ist. Von ArtemiFlow in Kentucky (USA), einem von den MPI-Forschern gegründeten Startup-Unternehmen, soll dieses Vorhaben umgesetzt werden. Der Standort eignet sich laut Seeberger gut, da hier über Jahrhunderte Tabak angebaut wurde. Beifußpflanzen benötigten ähnliche Rahmenbedingungen. „Außerdem kann ArtemiFlow die bestehende Infrastruktur wie auch die Scheunen zum Trocknen der Pflanzen nutzen“, erklärt er. Grundsätzlich sei das Team anderen Standorten gegenüber offen – auch in Deutschland. „Eine Produktion in Deutschland wäre sehr gut möglich, aber bisher haben wir es trotz größter Anstrengungen in diese Richtung nicht geschafft, Interessenten zu finden“, so der Forscher.
Seeberger ist überzeugt, dass künftig eine ausreichende und effizientere Wirkstoff-Produktion für Arzneien gegen Malaria auch für Menschen in Entwicklungsländern erschwinglich sein kann. Denn: Grundsätzlich sei die Krankheit gut medikamentös zu behandeln. Weil das Medikament jedoch derzeit sehr teuer ist, sterben an den Folgen der Malaria nach Angaben des Max-Planck-Instituts jährlich 650.000 Menschen, davon fast 600.000 Kinder unter fünf Jahren. Malaria zählt neben Tuberkulose und HIV zu den großen Killern der Menschheit. Seebergers Vision ist es, den schwankenden Marktpreis für Artemisinin zu stabilisieren und langfristig zu senken, damit der Wirkstoff deutlich mehr Patienten zugänglich gemacht werden kann.
Potsdam als attraktives Umfeld für innovative Forschung
Das MPIKG ist nach der Wende aus den ehemaligen Instituten für Physikalische Chemie und für Organische Chemie in Berlin-Adlershof und für Polymerchemie in Teltow hervorgegangen. Es wurde 1992 gegründet und auf Grundlagenforschung im Grenzbereich zwischen Chemie, Physik und Biologie ausgerichtet. 1990 zogen die zugehörigen Wissenschaftler in den heutigen Wissenschaftspark Potsdam-Golm. Das MPIKG widmet sich intensiv der Forschung und der Nachwuchsförderung.
Das Institut am Standort Potsdam-Golm biete, so Seeberger, ein „attraktives Umfeld für junge Wissenschaftler und beste Voraussetzungen, um innovative Forschung zu betreiben.“ Sowohl die Infrastruktur als auch die Ausstattung mit Geräten seien herausragend. Auch freut ihn, dass vermehrt akademische und industrielle Forscher dort produktiv zusammenarbeiteten. Gleichzeitig hofft er, dem Standort etwas zurückgeben zu können. Die neuen Entwicklungen seines Teams hätten ein ansehnliches Presse-Echo mit Artikeln in der New York Times und anderen hochrangigen Tageszeitungen bis nach China und Südamerika nach sich gezogen. Das könne „die Sichtbarkeit des Standorts, von dem wir profitieren, weiter erhöhen.“