Interview | Prof. Dr. Johannes Gräske, Professor für Pflegewissenschaft an der Alice Salomon Hochschule Berlin

Die Zukunft der Pflege mit Innovationen gestalten

     

    Prof. Dr. Johannes Gräske ist Professor für Pflegewissenschaft an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Dort leitet er den Bachelorstudiengang Pflege. Wir haben mit ihm über Veränderungen der Pflegeberufe, die akademische Lehre sowie über den Weg von Entwicklungen in die Praxis gesprochen.

     

    1. Sie sind Professor für Pflegewissenschaft an der Alice-Salomon-Hochschule und unterrichten auch Studierende der Pflege. Wie hat sich die Pflege in Ihrer Wahrnehmung in den vergangenen Jahren verändert und welche Rolle spielen akademische Pflegeberufe derzeit und künftig?

    Die pflegerische Versorgung steht vor großen Veränderungen, da die Aufgaben durch eine alternde Gesellschaft, deutliche Zunahme von allgemeinen, aber auch wissenschaftlichen Informationen sowie dem technischen Fortschritt immer komplexer werden. Gleichzeitig fehlt es an Fachkräften in der Versorgung. Studierte Pflegende spielen eine bedeutende Rolle, da sie genau dafür ausgebildet sind. Obwohl die Akademisierung in Deutschland noch Jahrzehnte hinter dem internationalen Standard zurückliegt, geht die Entwicklung in die richtige Richtung.

     

    2. Zu Ihren Forschungsschwerpunkten gehört auch das Thema „Technik und Alter”. Welche Innovationen haben Ihrer Meinung nach das Potenzial, den Pflegealltag für Patient:innen/Pflegebedürftige und Fachpersonal nachhaltig zu verbessern? Und welche Lösungen setzen Sie ggf.in der Lehre ein (z.B. digitale Lösungen, Robotik, XR (mixed reality), etc.)?

    Die besten Potenziale haben Innovationen, bei denen frühzeitig alle betroffenen Personen einbezogen wurden. Meine Erfahrung ist, dass durchaus entwickelt wird, was technisch not-wendig ist, aber praktisch kaum eine Relevanz darstellt. Mein Forschungsschwerpunkt setzt genau da an, die Perspektive der Betroffenen zu evaluieren. Damit haben wir deutliche Er-folge erzielt. Leider ist die Übertragung dieser Innovationen in die Lehre immer nur beispiel-haft möglich. Wir decken sicherlich nur einen kleinen Ausschnitt der Möglichkeiten ab. Für mehr ist das Feld zu schnelllebig, aber auch die Investitionen sind zu hoch. Hier verkennen Unternehmen sicher die Multiplikatorenrolle studierter Pflegender.

     

    3. Der aktuelle Monat Mai ist zum KI-Monat deklariert worden. Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI) in der Pflege und wo sehen Sie Perspektiven?

    Aktuell spielt KI in der Pflege sicherlich noch eine untergeordnete Rolle. Ich kenne Produkte, die gerade auf den Markt gekommen sind, beispielsweise gibt es die Möglichkeit, Wunden mittels KI analysieren zu lassen. Das Potenzial ist aber riesig. Das reicht von klinischer Einschätzung bis hin dazu, evidenzbasierte Pflegeplanungen zu erstellen. Also den kompletten Pflegeprozess von der Pflegediagnose, -intervention bis hin zum Outcome darzustellen. Die schnelle Translation von verfügbarem Wissen auf eine konkrete Versorgungssituation, das würde mich in der Evaluation sehr reizen. Hier sehe ich große Potenziale.

     

    4. Sie arbeiten in Forschungsprojekten gern auch mit der Wirtschaft zusammen. Welche Themen stehen dabei im Fokus und wie können interessierte Unternehmen am besten mit Ihnen in Kontakt treten? Wie unterstützt Sie das Cluster HealthCapital Berlin-Brandenburg dabei?

    Ich mag es, frühzeitig in die Entwicklung eingebunden zu werden, um hier meine Ideen und Erfahrungen einzubringen. Aber auch marktreife Produkte zu evaluieren, beispielsweise über ZIM-Anträge (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand), finde ich hochspannend. Ich ar-beite seit vielen Jahren mit Pflegeunternehmen zusammen, die alle daran interessiert sind, neue Dinge auszuprobieren. Das klappt bisher reibungslos. Und habe ich mal eine Idee und suche Wirtschaftsunternehmen, wende ich mich an HealthCapital, und die Kolleg*innen haben meist sofort eine Idee, an welches Technologieunternehmen ich mich wenden sollte. Auch die Pitchmöglichkeiten auf der DMEA führen zu einem direkten Austausch. Dieses Ver-netzen ist ein großer Mehrwert, den ich gerne wahrnehme.

     

    Zur Person:

    Prof. Dr. Johannes Gräske ist Professor für Pflegewissenschaft an der Alice Salomon Hochschule Berlin und leitet dort den primärqualifizierenden Bachelorstudiengang Pflege. Begonnen hat er seinen Werdegang im Gesundheitswesen als Krankenpfleger in unterschiedlichen Krankenhäusern. Während dieser Zeit absolvierte er ein Studium Pflege/Pflegemanagement an der Alice Salomon Hochschule Berlin und der Epidemiologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Dort hat er auch im Anschluss in der Pflegewissenschaft promoviert. Bevor er seine Professur an der Alice Salomon Hochschule antrat, war er noch Professor für Klinische Pflegeforschung und Evaluation an der HTW Saar. In der Forschung und Lehre liegen seine Schwerpunkte in der Weiterentwicklung des Pflegeberufes sowie bei der Ver-sorgung älterer Menschen.

     

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