Interview: Dr. Rolf Zettl, Administrativer Vorstand der BIH
Das Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH) steuert mit der Strategie 2026 neue Horizonte für mehr Gesundheit und Lebensqualität an. Steht die Strategie nach dem Ausscheiden von Prof. Erwin Böttinger, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des BIH, auf dem Prüfstand?
Da gibt es eine ganz klare Haltung – sowohl beim Aufsichtsrat als auch beim Vorstand des BIH: Wir stehen hinter dieser Strategie. Jetzt geht es um die Umsetzung. Wir warten nicht, bis ein neuer CEO da ist, um eine neue Diskussion zu führen. Natürlich arbeiten wir weiter an der Strategie, weil sie sich den internationalen Entwicklungen anpassen muss.
Welches sind die Schwerpunkte der Strategie?
Es gibt zwei zentrale Aspekte, einen inhaltlichen und einen strukturellen. Inhaltlich geht es um eine Profilschärfung: Perspektivisch sollen bei schwerwiegenden und fortschreitenden Erkrankungen die entsprechenden Krankheitsmechanismen erforscht werden, um personalisierte Therapiemodelle entwickeln zu können, die einen optimalen Outcome für den Patienten sicherstellen. Dabei sollen Advanced Therapies – neuartige und experimentelle Therapieansätze, insbesondere in der Stammzell- und Gentherapie – zur Anwendung kommen. Strukturell steht im Fokus, durch die Rekrutierung von herausragenden und talentierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, deren Arbeitsschwerpunkte die genannten Inhalte stärken, Wachstumsimpulse zu setzen – für den Gemeinsamen Forschungsraum von Charité und MDC (Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft), aber im Grunde für die gesamte Berliner Wissenschaft.
Wie kommen Sie mit den Themen, die bei Ihnen höchste Priorität haben, voran?
Sehr gut! Insgesamt haben wir schon 250 Mitarbeiter rekrutiert, die an Projekten oder Infrastrukturen arbeiten. Da ist viel in Bewegung: Es werden Daten produziert, es wird Nachwuchs herangebildet im Clinician-Scientists-Programm, wo wir klinisch Tätigen den Freiraum eröffnen, Forschungsprojekte durchzuführen. Im Mittelpunkt stehen jetzt die Rekrutierungen: Internationale Köpfe mit zusätzlichen – auch komplementären – Kompetenzen nach Berlin zu holen und die so entstehenden Wachstumsimpulse in das vorhandene Forschungssystem zu integrieren. Das läuft in vollem Umfang. Wir haben eine Vielzahl von Berufungs- und Findungskommissionen an der Charité. Aktuell sind 29 Verfahren ausgeschrieben oder stehen unmittelbar vor dem Ausschreibungsstart. Wir müssen zudem Räume bereitstellen, in denen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tätig werden können. Diese Flächen müssen generiert, freigezogen und ertüchtigt werden. Wir haben zwei große Bauprojekte in Buch und in Mitte laufen, wo wir bis 2020/21 insgesamt rund 10.000 Quadratmeter an Labor- und Büroflächen schaffen werden. Die Herausforderung ist jetzt, Interimsflächen zu finden, sodass es unmittelbar losgehen kann.
Welche Rolle spielt bei Ihnen der Technologietransfer?
Der ist für uns zentral und missionskritisch. Beim BIH ist der Translationsbegriff breit besetzt. Oft wird er verwendet, um die Brücke zwischen Grundlagenforschung und klinischer Forschung zu beschreiben. Wir sehen die Translation aber noch weitergehend – zum Patienten. Insofern wollen wir die Brücke auch zur Industrie, zu den kleinen und mittleren Unternehmen, zu den Ausgründungen schließen. Deshalb brauchen wir einen extrem ambitionierten und professionell strukturierten Technologietransfer. So stellen wir sicher, dass die Innovationen, die hier entstehen, auch wirklich ihren Weg zum Patienten finden. Wir wollen ihn international sichtbar machen und auch das Thema Digitalisierung hier integrieren. Da sind wir auch schon sehr gut unterwegs. Das ganze Thema Digital Health ist ein zusätzlicher Innovationsmotor im Gesundheitssystem.
Im November kommt die internationale Biotech- und Pharmaszene in Berlin zur Bio-Europe (Europas größter Partneringkonferenz für Life Sciences) zusammen. Welche Bedeutung haben internationale Kooperationen für das BIH?
Die werden entscheidend sein. Wir wollen natürlich in der internationalen Liga der Einrichtungen eine Rolle spielen, die im Bereich der translationalen Medizin eine Sichtbarkeit haben. Wir wollen aber auch mit der internationalen Industrie kooperieren. Das ist bei der Bio-Europe der entscheidende Faktor. Wir sind zwar eine nationale Einrichtung, wollen aber internationale Strahlkraft entfalten. Dafür brauchen wir ein entsprechendes Netzwerk an Partnern. Aber wir müssen realistisch sein und jetzt erstmal liefern: die Köpfe haben, die Daten produzieren und Sichtbarkeit erreichen, um dann auch als internationaler Player wahrgenommen zu werden.