Interview | Dr. Elke Luger Leitung Nationales Netzwerkbüro Gen- und Zelltherapien

Mit strategischer Innovation zu mehr Fortschritt in der Gen- und Zelltherapie

 

Die Nationale Strategie für Gen- und Zelltherapien (GCT) wird seit 2022 vom Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) im Auftrag des Bundesforschungsministeriums in einem Multi-Stakeholder-Prozess moderiert. Mit der Strategie sollen Ergebnisse aus der Forschung schneller und besser in die medizinische Versorgung kommen. Um dabei unabhängig, mit standortübergreifenden Informationen und Vernetzung nachhaltig eine nationale GCT-Community aufzubauen, in der alle Stakeholder-Gruppen berücksichtigt sind, wurde im Oktober 2023 das Nationale Netzwerkbüro Gen- und Zelltherapien installiert. Wir haben mit der Leiterin Dr. Elke Luger über die Aufgaben des Büros, die Ziele und Herausforderungen gesprochen.

Können Sie kurz die Aufgaben des Netzwerkbüros umreißen und die drei wichtigsten Ziele für das derzeit laufende erste Jahr beschreiben?  

Das Netzwerkbüro für Gen- und Zelltherapie wurde im Rahmen der Nationalen Strategie für Gen- und Zelltherapien eingerichtet und ist am BIH angesiedelt. Das BIH soll diesen Prozess koordinieren, moderieren und Expertinnen und Experten aus ganz Deutschland zusammenführen. Dafür wurden in acht Handlungsfeldern durch die beteiligten Stakeholder Empfehlungen ausgesprochen und dem BMBF sowie der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Netzwerkbüro hat die Aufgabe, weiterhin die Stakeholder zusammenzuführen und die Expert*innen aus den einzelnen Arbeitsgruppen auch langfristig als Ansprechpartner*innen zu binden, deren Bedarfe zu ermitteln und gemeinsam Konzepte zur Translation zu entwickeln. Wir verstehen uns als deutschlandweite Anlaufstelle und Plattform für nationale und internationale Akteurinnen und Stakeholder im Bereich GCT. Wir wollen für eine gemeinsame starke Stimme des Netzwerks „GCT Germany“ sorgen. Unsere Arbeit beginnt also erst. Für das erste noch laufende Jahr gab es unter anderem drei Ziele, die vor allem unsere Sichtbarkeit im Blick hatten: den Launch einer Webseite, der Aufbau des ersten nationalen Newsletters zum Thema Gen- und Zelltherapien und die Konzeptionierung und Durchführung des ersten Nationalen Entrepreneurship Programms GeneNovate im Bereich GCT. Der durchgeführte Pilot war der erste dieser Art in Deutschland. Alle drei Projekte haben wir bereits erfolgreich umgesetzt.
 

Was bedeutet die Nationale Strategie für Gen- und Zelltherapien (GCT) für den Standort Deutschland insgesamt und für den Standort Berlin-Brandenburg im Speziellen? Welche Herausforderung bestehen?

Für den Forschungs-, Versorgungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland ist die GCT ein zentrales Thema. Nicht nur Deutschland, auch ganz Europa, hat in diesem Bereich einen großen Aufholbedarf. Bei den weltweiten klinischen Studien zu Gen- und Zelltherapie stammt nur ein Bruchteil aus Deutschland, der Rest entfällt auf die USA und China. Bedenkt man die Potenziale der Gen- und Zelltherapie für die Verbesserung der Lebensqualität und Leidreduktion von bisher wenig bis gar nicht therapierbaren Krankheiten sowie die damit einhergehenden Möglichkeiten auf dem Markt, muss unbedingt mehr passieren, um anschlussfähig zu bleiben. Ich denke, dass darüber hinaus der Netzwerkgedanke, der der Strategie innewohnt für die gesamte medizinische Forschung in Deutschland wichtig ist und Schule machen kann. Für Berlin-Brandenburg als Standort sind diese Änderungen ebenfalls wichtig. Zu den Herausforderungen zählt sicherlich, dass die Strategie in Jahrzehnte lang gewachsenen Strukturen umgesetzt werden muss.

Was muss sich ändern, um erfolgreicher in der Entwicklung von Gen- und Zelltherapien zu werden?

Die zentralen Stichworte hier sind: Vernetzung, Optimierung, Ausbildung, Einbeziehung der Bedarfe der Patientinnen und Patienten sowie die Förderung von Innovationen. Prinzipiell müssen sich in einem breiten Themenspektrum, die Strukturen der Zusammenarbeit verbessern. Das beginnt bei Maßnahmen zum Ausbau von Aus- und Weiterbildungsprogrammen, der Optimierung der Voraussetzungen und der Prozesse für einen leistungsfähigen Technologietransfer bis hin zu Bedingungen für Ausgründungen, Start-ups oder Marktzulassungen. Zudem müssen wir ein Arbeitsumfeld schaffen, um hochqualifizierte Fachkräfte dazu bewegen, in Deutschland zu bleiben. All dies wird mit der nationalen Strategie adressiert.

In unserem Pilotprojekt „GeneNovate: Empowering Innovators and Entrepreneurs in Gene and Cell Therapies“ beispielsweise konnten wir sehen, wie groß der Bedarf an Weiterbildungsprogrammen ist. GeneNovate ist das erste nationale Entrepreneurship-Programm im Bereich Gen- und Zelltherapien, das im ersten Piloten in Berlin, Mainz und München durchgeführt wurde. Das Programm richtete sich an Masterstudierende, Doktoranden und PostDocs in Medizin, Biotechnologie, Bioinformatik, Medizintechnik oder Digital Health, die ihre Forschungserfolge in ein medizinisches Produkt überführen möchten. Das stieß auf große Resonanz. Wir hatten insgesamt etwa 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Bereits 2025 soll GeneNovate auf weitere Standorte in Deutschland ausgerollt werden.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Cluster HealthCapital? Haben Sie konkrete Wünsche an das Clustermanagement?

Aktuell arbeiten wir gemeinsam an der Planung für das RegMed Forum im Februar 2025. Dabei geht es beispielsweise um die GMP-Prozessentwicklung und die Translation von ATMP-Projekten. Künftig wollen wir die Zusammenarbeit gerne weiter ausbauen, denn bisher ist das sehr gut gelaufen. Ich denke davon werden beide Seiten profitieren.

Zur Person:

Elke Luger ist promovierte Genetikerin mit den Schwerpunkten Immunologie, Allergologie und chronische Entzündung. In ihrer Forschungskarriere hatte sie Stationen an der Universität Salzburg, der University of Maine, USA, der Charité Berlin und dem Deutschen Rheumaforschungs-Zentrum Berlin (DRFZ). Danach fokussierte sie sich auf strategisches Wissenschaftsmanagement. Zuletzt leitete sie die Geschäftsstelle des Leibniz WissenschaftsCampus Chronische Entzündungen am DRFZ und baute das nationale Leibniz Netzwerk Immunvermittelte Erkrankungen auf.

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