Interview | Prof. Dr. Axel R. Pries, Präsident des World Health Summit
Prof. Dr. Axel R. Pries ist Konferenzpräsident des World Health Summit (WHS). Der Arzt und Physiologe war von 2001 bis 2015 Direktor des Instituts für Physiologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Von 2015 bis 2022 war er Dekan und Vorstandsmitglied der Charité und leitete interimsweise das Berlin Institute of Health. Parallel hat er sich in unterschiedlichen internationalen und europäischen Einrichtungen engagiert. Seit 2021 steht er dem World Health Summit als Präsident vor. Wir haben mit ihm über die Entwicklung und Themen des WHS sowie Berlin als Veranstaltungsort für diese internationale Konferenz gesprochen.
1. Der World Health Summit (WHS) fand im Jahr 2009 das erste Mal in Berlin statt. Sie sind seit 2021 Präsident. Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung der Konferenz in den vergangenen 14 Jahren?
Der WHS hat seit seiner Gründung 2009 aus Anlass des 300. Jubiläums der Charité eine großartige Entwicklung genommen. Die Anfänge waren vergleichsweise bescheiden und es war gar nicht vorgesehen, so groß zu werden. Wobei, wenn man den Namen bedenkt, wurde dies bei der Gründung vielleicht auch nicht ganz ausgeschlossen. Im Grunde hat es der WHS unter seinem Gründer Detlev Ganten innerhalb der ersten zwölf Jahre doch geschafft, seinem Namen gerecht zu werden. Heute blicken wir auf eine Tagung, die nicht nur Tagung ist, sondern auch eine Plattform, auf der Dinge entwickelt und kommuniziert werden. Das Who is Who der internationalen Global Health Community kommt auf dem WHS in Berlin zusammen um zudem auch immer wieder neue Ansätze in laufenden Diskussionen zu finden.
Trotz dieser positiven Entwicklung wollen wir den WHS weiter ausbauen. Beispielsweise sind wir mittlerweile das gesamte Jahr aktiv und fokussieren uns nicht nur auf den WHS im Oktober. Wir entwickeln uns immer mehr in Richtung eines Think Tanks beziehungsweise eines Motors für Entwicklungen rund um die Themen der globalen Gesundheit.
2. Dieses Jahr stand der WHS unter dem Motto „A Defining Year for Global Health Action“. Was genau macht dieses Jahr so besonders?
In diesem Jahr wurden in vielen übernationalen politischen Gremien – wie etwa der UN, G7, BRICS oder G20 – Entscheidungen getroffen, die für die globale Gesundheit relevant sind. Beispielsweise hatten die Vereinten Nationen (UN) im September eine Woche mit sogenannten High-Level-Meetings, auf denen weltweit relevante Themen adressiert wurden. Drei dieser Themen setzten sich mit Gesundheit auseinander – da ging es um die Pandemievorsorge, um Tuberkulose und ‚Universal Health Coverage‘ (Universelle soziale Absicherung im Krankheitsfall). Das zeigt, dass Gesundheit international eine sehr große Rolle spielt.
Zur Pandemievorsorge heißt es in den Ergebnissen dieser Treffen unter anderem: Gesundheit ist einerseits ein Ergebnis von ökonomischen, ökologischen und sozialen Bedingungen, aber andererseits auch ein Indikator für gute soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. In diesem Sinne sind Gesellschaften, die den Menschen eine umfassende Gesundheit ermöglichen, auch übergreifend gut funktionierende Gesellschaften und Probleme bei der Gesundheit deuten auf gesellschaftliche Probleme hin. Auch zur Finanzierung von globaler Gesundheit, etwa der Arbeit der Weltgesundheitsorganisation (WHO), gab und gibt sind in diesem Jahr viele relevante Entscheidungen vorbereitet und getroffen worden. Insgesamt lässt sich also von einem wegweisenden Jahr für die globale Gesundheit sprechen.
3. Können Sie uns schon einen Ausblick auf die Themen 2024 geben?
Beim WHS werden die Themen im Gespräch mit unseren internationalen Partnern gefunden und ausgewählt. Viele Themen im Bereich der globalen Gesundheit haben dauerhafte Aktualität, etwa die eben genannten: also Pandemievorsorge, Bekämpfung von Tuberkulose sowie die globale Gesundheitsversorgung. Das sind natürlich Bereiche, die auch uns weiterhin beschäftigen werden.
Für die kommenden Jahre erwarte ich aber zum Beispiel einen stärkeren Fokus auf die digitale Transformation. Was das angeht, haben wir in diesem Jahr die Thematisierung schon deutlich erweitert und werden dies in 2024 noch stärker ins Programm nehmen. Hinzu kommt die immer dringlichere Frage, wie wir mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die globale Gesundheit umgehen. Auch Themen, die durch die Pandemie etwas in den Hintergrund geraten sind, wie nicht übertragbare Krankheiten etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Gesundheit oder Antibiotika-Resistenz, werden künftig wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen. Schließlich gibt es viel Handlungsbedarf auf der Metaebene, beispielsweise bei der Frage nach den Rahmenbedingungen für Gesundheit und den globalen Ungleichheiten der Gesundheitsvorsorge. In diesen Bereichen werden sich wahrscheinlich viele unserer Formate bewegen.
4. Welche Rolle spielt Berlin als Veranstaltungsort des WHS?
Berlin ist die optimale Basis für eine solche Konferenz. Die Stadt ist offen und divers im positiven Sinne – genauso wie der WHS. Ebenso gehen von der deutschen Politik und damit aus der Hauptstadt Berlin, wichtige Impulse für die globale Gesundheit aus. Beispiele war die Kompensation der Finanzierung der WHO durch Deutschland nach dem Ausstieg der USA sowie die Ansiedlung des „Global Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence“ der WHO in Berlin. Um als WHS einen Beitrag zur globalen Gesundheit zu leisten, ist die Stadt ein idealer Ort.
Auf der anderen Seite war und ist Berlin eine Gesundheitsstadt. Seit den Zeiten von Virchow wurden hier wissenschaftliche Entdeckungen gemacht, die zu wegweisenden Innovationen führten. Daraus erwuchs auch ein relevanter Teil der wirtschaftlichen Stärke Berlins. Mit diesen Innovationen gingen Verbesserungen der nationalen und internationalen Gesundheitsversorgung einher, durch die Firmen vor Ort Geld verdient haben und verdienen. Im Cluster Gesundheitswirtschaft HealthCapital Berlin-Brandenburg gibt es ein sehr positives Umfeld für Innovationen im Bereich der Gesundheit. Es gibt viele Neugründungen und große Institutionen, die die Stadt zu einem quirligen Hotspot der Gesundheitswirtschaft machen. Dieses Potential sollte die Stadt noch deutlich energischer nutzen.
Weiterführende Links:
Axel R. Pries CV: https://www.worldhealthsummit.org/media/presskit.html#c112570