Gemeinsamer Bundesausschuss bewertet mit Remdesivir erstmals den Zusatznutzen eines antiviralen COVID-19-Arzneimittels
Haben an COVID-19 erkrankte Patientinnen und Patienten eine bessere Chance zu überleben und sich schneller zu erholen, wenn sie mit dem antiviralen Wirkstoff Remdesivir (Handelsname Veklury®) behandelt werden? Dieser Frage ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in seiner Nutzenbewertung nachgegangen und hat die Vorteile von Remdesivir gegenüber den Therapiealternativen geprüft. Der G-BA kam in der heutigen Sitzung zu einem differenzierten Ergebnis: Erwachsene COVID-Patientinnen und -Patienten, deren Lungenentzündung noch nicht sehr schwer ist, können von einer Behandlung mit Remdesivir profitieren. Aufgrund von Unsicherheiten bei den angewendeten Therapiealternativen und der teils heterogenen Studienlage wird das Ausmaß des Zusatznutzens allerdings nur als gering eingestuft. Für schwerer erkrankte Erwachsene sowie Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren konnte der G-BA keinen Zusatznutzen feststellen.
„Wir haben heute erstmals die Vorteile eines Wirkstoffs bewertet, der bei einer COVID-19-Erkrankung direkt die Coronaviren bekämpft. Remdesivir wird seit Beginn der Corona-Pandemie eingesetzt, er ist nach wie vor der einzige antivirale Wirkstoff, der in Europa zur Behandlung der COVID-19-Erkrankung zugelassen ist. Bei einer Patientengruppe – Erwachsene, deren durch Coronaviren ausgelöste Lungenentzündung noch nicht sehr schwer ist – erholten sich bis zum Studienende unter Remdesivir mehr Patientinnen und Patienten von der Krankheit als unter den Vergleichstherapien. Ob Remdesivir auch einen Einfluss auf das Überleben der Patientinnen und Patienten hat, konnte aufgrund der sehr unterschiedlichen Ergebnisse in den eingeschlossenen Studien nicht bewertet werden. Die vorhandenen Studien, welche zu Beginn der Pandemie durchgeführt wurden, sind jedoch nur eingeschränkt auf die heutige Versorgungssituation bei COVID-19 übertragbar. Denn gegenüber dem Beginn der Pandemie können die Patientinnen und Patienten aufgrund der gewachsenen Therapieerfahrungen generell anders und besser behandelt werden, insbesondere auch wegen des Einsatzes von Dexamethason, das die Abwehrreaktionen des Körpers begrenzt“, erläuterte Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Arzneimittel.
Remdesivir: Erster antiviraler Wirkstoff gegen COVID-19
Antivirale Wirkstoffe sollen verhindern, dass Viren in die Körperzellen des Menschen eindringen oder sich dort vermehren. Ursprünglich ist Remdesivir entwickelt worden, um die Viruserkrankung Ebola zu behandeln, 2020 wurde er in Europa als erster antiviraler Wirkstoff für die Behandlung der Coronavirus-Krankheit COVID-19 zugelassen. Das Arzneimittel darf angewendet werden bei Erwachsenen und Jugendlichen mit einer Lungenentzündung, bei der eine zusätzliche Gabe von Sauerstoff, aber noch keine invasive Beatmung erforderlich ist. Weitere antivirale Arzneistoffe, insbesondere Antikörper, befinden sich derzeit noch im Zulassungsverfahren.
Inkrafttreten
Der Beschluss tritt mit Veröffentlichung auf der Website des G-BA am 16. September 2021 in Kraft. Auf Grundlage des heutigen Bewertungsergebnisses vereinbaren nun der GKV-Spitzenverband und der pharmazeutischen Unternehmer Gilead den zukünftigen Erstattungsbetrag.
Hintergrund: Zusatznutzenbewertung von Remdesivir
Der Wirkstoff Remdesivir (Handelsname Veklury®) wurde aufgrund von pandemiebedingten Ausnahmeregelungen im Mai 2020 in Deutschland in Verkehr gebracht und steht seitdem für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit COVID-19 zur Verfügung (Arzneimittelgesetz-Zivilschutzausnahmeverordnung; § 26b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG)). Das Arzneimittel erhielt am 3. Juli 2020 von der Europäischen Kommission eine Zulassung unter „Besonderen Bedingungen“. Aufgrund der bedingten Zulassung muss der pharmazeutische Unternehmer Gilead den Zulassungsbehörden noch weitere Nachweise zum Nutzen des Arzneimittels vorlegen.
Remdesivir war zunächst von der Zusatznutzenbewertung durch den G-BA freigestellt: Eine solche Freistellung ist möglich, wenn die Kosten für die gesetzlichen Krankenkassen innerhalb eines Jahres voraussichtlich weniger als 1 Mio. Euro betragen. Der G-BA startete sein heute abgeschlossenes Verfahren am 1. April 2021. Aufgabe des G-BA in einem solchen Bewertungsverfahren ist es, den Zusatznutzen eines neuen Wirkstoffs oder – wie im Fall von Remdesivir – in einem neuen Anwendungsgebiet gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie in Kategorien einzustufen.
Basis der Zusatznutzenbewertung von Remdesivir durch den G-BA waren ein vom pharmazeutischen Unternehmer eingereichtes Dossier, die Bewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sowie schriftliche und mündlichen Stellungnahmen.
Allgemeine Informationen sind auf der Website des G-BA zu finden: AMNOG – Nutzenbewertung von Arzneimitteln gemäß § 35a SGB V