Elektrophysiologisches Signal des Hirninfarkts identifiziert

Eine riesige, sehr langsame Spannungsänderung zeigt irreparable Schädigung an

In Folge einer speziellen Form der Hirnblutung, der sogenannten Subarachnoidalblutung, kann Tage später ein Schlaganfall durch Mangeldurchblutung auftreten. Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben jetzt die zugrundeliegenden elektrischen Signale analysiert. Die Erkenntnisse könnten die Basis für neue Behandlungen beim Schlaganfall legen und wurden im Fachjournal Brain* veröffentlicht.

Bei Patientinnen und Patienten mit einer Subarachnoidalblutung – bei der sich die Blutung großflächig zwischen den umgebenden Häuten des Gehirns ausbreitet – kann es nach etwa einer Woche zu Komplikationen kommen. Jeder dritte bis vierte Patient zeigt dann Symptome eines ischämischen Schlaganfalls, also eines Schlaganfalls infolge einer Mangeldurchblutung. Dahinter stecken Mechanismen, die durch die molekularen Zerfallsprodukte der vorangegangenen Hirnblutung ausgelöst werden. Diese lösen elektrochemische Entladungswellen im Hirngewebe aus, auch „Spreading Depolarization“ genannt. Die betroffenen Hirnareale benötigen dann sehr viel Energie, um wieder in den Normalzustand zurückzukehren.

Im gesunden Gehirn sind normale Entladungen von Nervenzellen mit der Blutversorgung gekoppelt: In aktiven Bereichen werden die Gefäße geweitet. Nach einer Subarachnoidalblutung können die Signalkaskaden zwischen Nervenzellen und Blutgefäßen jedoch gestört sein. Eine Nervenzellentladung löst dann eine extreme Verengung der Gefäße aus. In der Folge fehlt den Nervenzellen die Energie, um sich wieder aufzuladen. Verbleiben die Nervenzellen zu lange in einem entladenen Zustand, beginnen sie irgendwann abzusterben. Bei der Messung der elektrischen Hirnaktivität zeigt sich dann eine riesige, sehr langsame Spannungsänderung, ein sogenanntes negatives ultralangsames Potential. Man spricht in diesem Fall von „terminaler Spreading Depolarization“.

„Vor zwei Monaten konnten wir die terminale Spreading Depolarization erstmals beim Menschen nachweisen, bei Patienten mit Herzkreislaufstillstand. Jetzt konnten wir zeigen, dass sie auch bei Patienten mit Hirninfarkten nach Subarachnoidalblutung auftritt“, erläutert Prof. Dr. Jens Dreier vom Centrum für Schlaganfallforschung Berlin der Charité. Prof. Dreier und sein Team werteten die Daten von elf Patienten aus und verglichen die Ergebnisse mit Erkenntnissen aus tierexperimentellen Untersuchungen. Die Depolarisierungswellen zeigen einen gestörten Energiehaushalt an. Das negative ultralangsame Potential ist die elektrophysiologische Entsprechung des Infarkts, also des Gewebsuntergangs als Folge einer Mangeldurchblutung.

Prof. Dreier betont: „Für die Entwicklung von Interventionen bei Schlaganfall, globaler Ischämie und Hirntrauma könnte die Messung der Depolarisierungswellen ebenso bedeutsam werden, wie ähnliche elektrophysiologische Werkzeuge in der Vergangenheit im Bereich der Epilepsie oder Kardiologie, weil die Ursachen sichtbar werden.“

*Lückl J, Lemale CL, Kola V, Horst V, Khojasteh U, Oliveira-Ferreira AI, Major S, Winkler MKL, Kang EJ, Schoknecht K, Martus P, Hartings JA, Woitzik J, Dreier JP. The negative ultraslow potential, electrophysiological correlate of infarction in the human cortex. Brain, Volume 141, Issue 6, 1 June 2018, Pages 1734–1752, DOI: 10.1093/brain/awy102.

Kontakt:
Prof. Dr. Jens Dreier
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Centrum für Schlaganfallforschung Berlin (CSB)
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E-Mail: jens.dreier@charite.de