Das Max Delbrück Center feiert 15 Jahre MDC-BIMSB
Seit 2008 erweitert das Berliner Institut für Medizinische Systembiologie das wissenschaftliche Profil des Max Delbrück Centers. In den vergangenen 15 Jahren hat es sich zu einem Leuchtturm entwickelt: mit Kooperationen in aller Welt, bahnbrechenden Arbeiten, die den Wandel einzelner Zellen im Laufe des Lebens nachvollziehen und damit der Medizin neue Perspektiven eröffnen, technologischen Pionierleistungen und einem Gebäude im Herzen Berlins, das eine offene, fächer- und institutionenübergreifende Zusammenarbeit optimal fördert. Entstanden ist ein Ort, der international als einer der besten für die medizinische Systembiologie gilt – und ein Sprungbrett für hervorragende Nachwuchsforscher*innen ist.
Das Jubiläum feiert das Max Delbrück Center am 5. September 2023 mit rund 150 geladenen Gästen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Daran schließt sich am 6. und 7. September das Berlin Summer Meeting an, mit angesehenen Redner*innen sowie mit Beiträgen herausragender Alumni.
Weitblick für das Potenzial der Systembiologie
„Die Zukunft der Präzisionsmedizin ist heute eng mit der Systembiologie verknüpft – man denke nur an Krebs. Aber vor 15 Jahren waren viele noch skeptisch, ob Big Data und quantitative Ansätze neue Erkenntnisse bringen. Forschung sollte hypothesengeleitet sein“, sagt Professorin Maike Sander, Wissenschaftliche Vorständin des Max Delbrück Centers. „Die Gründer des MDC-BIMSB – allen voran Nikolaus Rajewsky – ließen sich nicht beirren. Sie bewiesen Weitblick, erkannten das Potenzial. Sie hatten nicht nur eine Vision, sondern auch den richtigen Ansatz, wie man ein hervorragendes Programm aufbaut: bottom-up. Das Institut hat sich schnell als Vorreiter der Systemmedizin etabliert. Und es hat auch das Max Delbrück Center international sichtbarer gemacht.“
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und Berliner Senat förderten das Institut zunächst als Pilotprojekt im Programm „Spitzenforschung und Innovation in den Neuen Ländern“; nach nur fünf Jahren hat der Bund die Finanzierung verstetigt. 2019 folgte ein eigenes Gebäude auf dem Campus Nord der Humboldt-Universität zu Berlin: ganz in der Nähe der Charité – Universitätsmedizin Berlin und auf die Anforderungen der Systembiologie zugeschnitten. Die Gesamtförderung des Bundes summiert sich auf rund 250 Millionen Euro bis heute. Das Land Berlin hat diese Anstrengungen mitgetragen.
Derzeit arbeiten 22 international rekrutierte Arbeitsgruppen am MDC-BIMSB daran, die Voraussetzungen für die personalisierte Medizin der Zukunft zu schaffen. „Hier bei uns treffen jeden Tag Menschen mit ganz unterschiedlichen fachlichen Hintergründen zusammen, um gemeinsam etwas Neues zu schaffen. Das ist sehr erfolgreich“, sagt Professor Nikolaus Rajewsky. Der Direktor des MDC-BIMSB hat das Institut konzipiert und gegründet. „Die Zukunft liegt in der institutionenübergreifenden Zusammenarbeit. Wir wollen Datenwissenschaft, klinische Forschung, Grundlagenforschung und Venture Capital in einem gemeinsamen Ökosystem vereinen – innerhalb Berlins und mit internationalen Partnern. So stärken wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit, schonen nachhaltig Ressourcen und können die alles entscheidende Integration von künstlicher Intelligenz in die Gesundheitsforschung vorantreiben.“
Der Forschungsansatz: Wie die Gene das Leben regulieren
Im Laufe ihres Lebens greift eine Zelle immer wieder auf Anweisungen zurück, die in ihrem Erbgut enthalten sind. Sie liest darin wie in einem Buch und erfährt so, wie sie auf äußere Einflüsse reagieren soll. Mit Methoden der Genom- und Einzelzell-Biologie können Forscher*innen sie dabei beobachten.
Die Wissenschaftler*innen entnehmen zum Beispiel Proben aus dem Gewebe von Patient*innen oder patientenspezifischen Organoiden und analysieren, welche Gene welche Zelle gerade abliest und in Proteine übersetzt. Das Ergebnis sind riesige Datenmengen, die mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen ausgewertet werden. Die Forschungsgruppen können außerdem rekonstruieren, wo die Zellen im Gewebe saßen – und wie die jeweilige Nachbarschaft sie geprägt haben. Auch das Origami des Erbgutstrangs innerhalb des Zellkerns ist entscheidend für das Funktionieren des Lebens. Gene, die in der linearen Sequenz anscheinend weit auseinander liegen, können dank der Faltung Nachbarn sein und sich gegenseitig beeinflussen.
Brücken in Berlin und nach Lissabon
Mit dem genauen Blick auf die verschiedenen Ebenen der Genregulation wollen die Wissenschaftler*innen verstehen, wann und warum sich eine Zelle in Richtung Krankheit verändert und sie möglichst rasch in einen gesunden Zustand zurückversetzen. Denn wenn erst wenige Zellen in unserem Körper betroffen sind, gibt es weder Symptome noch Folgeschäden. In diesem Stadium eine Diagnose zu stellen und die gerade entstehende Erkrankung sehr früh zu stoppen, könnte Patient*innen viel Leid ersparen. Um diese Präzisionsmedizin möglichst bald in die Klinik zu bringen, wollen sich nun Forscher*innen und Kliniker*innen von zehn führenden Berliner Institutionen im Einstein Center for Early Disease Interception zusammenschließen – darunter nicht zuletzt die Systembiolog*innen des Max Delbrück Center. Gleichzeitig ist es der Auftakt zum Berlin Cell Hospital.
Die Forscher*innen bauen auch international Brücken. So entsteht in Lissabon gerade ein Institut, das nach dem Vorbild des MDC-BIMSB konzipiert ist: das NOVA Institute for Medical Systems Biology (NIMSB). NOVA University und Max Delbrück Center bauen das NIMSB gemeinsam als Center of Excellence auf. Die Europäische Kommission hat dafür 15 Millionen Euro bewilligt, NOVA University konnte zusätzlich 20 Millionen Euro in Portugal einwerben. Inspiriert wurde das Vorhaben von der LifeTime-Initiative, die ebenfalls das Max Delbrück Center koordiniert hat. „Wir freuen uns sehr auf diese strategische Partnerschaft – und sind stolz darauf, unsere Erfahrungen weitergeben zu können“, sagt Professorin Ana Pombo, die das Projekt gemeinsam mit Dr. Stan Gorski, beide MDC-BIMSB, sowie Professor António Jacinto von der NOVA University leitet. Ein Grund mehr, an diesem Tag zu feiern.