Cardiolotsen helfen Herzpatienten, gesund zu bleiben
Einfache Ansatzpunkte
Um die Lebensqualität der Herzpatienten nach der Entlassung zu verbessern und eine langfristige Genesung zu sichern, kümmern sich die Cardiolotsen auf den ersten Blick um recht einfache Belange. Sie beraten beispielsweise bei der Auswahl von medizinischen Angeboten, fragen, wie es den Patienten geht und achten darauf, dass sie regelmäßig ihre Medikamente einnehmen. Dies geht über das übliche Entlassmanagement hinaus. Professor Dr. Harald Darius, Chefarzt der Klinik für Kardiologie im Klinikum Neukölln und medizinischer Leiter des Projekts, sagt: „Ein Schlüssel zum Erfolg ist schon die regelmäßige Medikamenteneinnahme. Hinzu kommt die konsequente persönliche Begleitung der Cardiolotsen nach einem Klinikaufenthalt. Damit werden auch Menschen erreicht, die sich vom guten ambulanten Behandlungsangebot sonst überfordert fühlen.“
Persönlicher Kontakt schon während Klinikaufenthalt
Dort setzt die Arbeit der Lotsen an. „Zentrale Aufgabe der Cardiolotsen ist es, die Patienten persönlich und für diese gut verständlich zu allen Fragen rund um ihre Erkrankung aufzuklären und zu beraten“, sagt Daniela Teichert, designierte Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost. Dazu nehmen die Lotsen bereits während der stationären Behandlung Kontakt zu den Patienten auf und fragen ob Interesse an einer Teilnahme am Pilotprojekt besteht. Falls ja, begleitet der Cardiolotse den Patienten für die Dauer des Projektes. „Das trägt dazu bei, nachhaltiges Vertrauen zu schaffen“, sagt Kristina Tschenett, Sprecherin von Vivantes. Wenn die Herzpatienten wieder zuhause sind, ruft der Cardiolotse an und erkundigt sich nach Lebensumständen, dem Befinden und danach, ob es zum Beispiel schon weitere Arzttermine gibt. So fühlen sich die Patienten besser aufgehoben und bleiben bei der Nachsorge am Ball. Damit versucht das Projekt eine Lücke zwischen den stationären und ambulanten medizinischen Betreuungssektoren zu schließen und eine Kontinuität in der Behandlung zu erreichen.
Die ersten Erfahrungen mit diesem Vorgehen sind gut. So berichtet Cardiolotsin Bilge Kilincsoy über eine ältere Dame, die darüber zu Tränen gerührt war, dass sich nach ihrer Entlassung jemand meldet und sich persönlich um sie kümmerte. Oder von einem Patienten, der während eines gemeinsamen Gespräches sagte, dass er Luftnot und Schmerzen im Arm hat. Ihn schickte die Cardiolotsin daraufhin direkt in die Rettungsstelle.
Doch die Initiative liegt nicht nur bei den Cardiolotsen, auch die betreuten Patienten können die Lotsen anrufen und sich mit Fragen rund um ihre Erkrankung an sie wenden.
Medizinisches Personal
Die Cardiolotsen wurden speziell für das Projekt mit kardiologischem Schwerpunkt qualifiziert. Sie alle haben bereits eine medizinische Ausbildung. Um Lotse zu werden, durchlaufen sie eine zwei Monate dauernde Qualifizierung, die gemeinsam von Vivantes und der AOK Nordost entwickelt wurde. In der Weiterbildung wurden die verschiedenen Aspekte der Lotsen-Aufgabe berücksichtigt. So hospitierten die künftigen Betreuer beispielsweise auf einer kardiologischen Station und beim Sozialdienst, erhielten ein Kommunikationstraining und eine Schulung zu Leistungsangeboten der Krankenkassen.
Wie gut diese Qualifizierung und die intensivere Betreuung funktionieren, wird derzeit mit 900 Teilnehmern erprobt. Sie sind in zwei Gruppen eingeteilt: 450 sind in der Projektgruppe mit der intensiveren Betreuung, die andere Hälfte ist in einer Kontrollgruppe und bekommt die bisher übliche Betreuung. Wissenschaftlich ausgewertet wird das Projekt von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Die dafür notwendigen Daten werden von den Cardiolotsen bei den Patienten abgefragt und durch Routinedaten der Krankenkasse ergänzt. Das Projekt Cardiolotse läuft bis Mai 2021.
Vorerst ist die Teilnahme bei der AOK Nordost versicherten Patienten mit Herzerkrankungen vorbehalten. Zudem müssen diese Patienten sich in einer Berliner Vivantes Einrichtung in stationärer Behandlung befinden. Für die Zukunft gibt es die Möglichkeit, dass das Modell weitergeführt wird. Dies entscheidet sich jedoch erst nach dem Abschluss. Theoretisch wäre dann auch eine Übertragung auf die Betreuung bei anderen Krankheitsbildern denkbar.