1,3 Millionen Euro für zehn neue Forschungsvorhaben im 3R-Bereich
„Tierversuche sind weiterhin ein wichtiger Baustein im Methodenmix der biomedizinischen Forschung an der Charité“, sagt Prof. Dr. Joachim Spranger, Dekan der Charité. „Aus diesem Grund, aber auch aus ganz grundsätzlichen Erwägungen im Hinblick auf die mangelnde Reproduzierbarkeit mancher tierexperimenteller Studien im Menschen, sehen wir an der Charité eine besondere Verpflichtung, die Suche nach neuen experimentellen Methoden und Modellen stetig voranzutreiben und alles dafür zu tun, notwendige Tierversuche zu verbessern, ihre Zahl zu verringern und sie wo immer möglich zu ersetzen. Die jetzt gestarteten Forschungsprojekte bilden sehr anschaulich einen Querschnitt durch die heterogene Forschungslandschaft der Berliner Universitätsmedizin und zeigen die vielfältigen Möglichkeiten und Bedarfe für eine Weiterentwicklung der 3R-Prinzipien an der Charité.“
„Für die Entwicklung von neuen Forschungsmethoden, die einerseits zu besseren Therapien für den Menschen führen sollen und die gleichzeitig potenziell die Zahl der Tierversuche reduzieren, braucht es sehr breit angelegte Förderinitiativen und einen langen Atem“, sagt Prof. Dr. Stefan Hippenstiel, Sprecher von Charité 3R. „Daher freut es uns sehr, dass wir einige der vielen Forschungsprojekte nun nachhaltig unterstützen und diese Entwicklung weiter verstärken können.“
Die zehn geförderten Vorhaben wurden aus vielen Bewerbungen in einem unabhängigen wissenschaftlichen Begutachtungsprozess ausgewählt. Koordiniert wurden die Förderausschreibungen und der Begutachtungsprozess von Charité 3R. Charité 3R ist eine Einrichtung, die die Umsetzung des 3R-Prinzips an der Charité über das gesetzlich geforderte Maß hinaus intensiv unterstützt. Die 3R-Forschung an der Charité widmet sich nicht allein der Stärkung des Tierwohls, sondern gleichzeitig einer Verbesserung der Translation – also der Übertragung von Ergebnissen aus der biomedizinischen Forschung auf den Menschen –, verbunden mit einem Maximum an Tierwohl.
Drei Projekte im Detail
Eines der neuen Forschungsprojekte im Bereich „Reduction“ forscht beispielsweise mit sogenannten Wildling-Mäusen. Denn herkömmliche Labormäuse werden zumeist unter keimarmen Bedingungen gehalten, während Menschen und Tiere „in freier Wildbahn“ von einer wesentlich komplexeren Gruppe von Mikroorganismen besiedelt sind. Dieses sogenannte Mikrobiom spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit und die Entstehung von Krankheiten. Im Wildling-Projekt wollen die Forschenden deshalb untersuchen, ob Labormäuse mit einem natürlichen Mikrobiom im Vergleich zu herkömmlichen Labormäusen besser für die Untersuchung von Krankheitsmechanismen und die Entwicklung neuer Therapien geeignet sind. Dazu wird eine große Bandbreite von relevanten Krankheiten wie Virusinfektionen, Alzheimer, Krebs und Schlaganfall untersucht. Die Wissenschaftler:innen erwarten, dass Forschung mit Wildling-Mäusen effektiv zu neuen Therapien und daher langfristig zu einer Reduzierung von Tierversuchen führen wird.
Im Bereich „Replacement“ wollen Forschende in einem neuen Projekt ein auf menschlichen Zellen basierendes Modell etablieren, das die Entwicklung von Medikamenten für das sogenannte SynGAP-Syndrom unterstützt. Bei diesem Syndrom handelt es sich um eine seltene genetische Erkrankung, der eine Mutation auf einem speziellen Gen, dem SynGAP1-Gen, zugrunde liegt. Diese Mutation führt zu einer schweren neurologischen Entwicklungsstörung mit geistiger Behinderung, autistischen Zügen und Krampfanfällen. Das Forschungsteam will Mini-Gehirn-Organoide aus menschlichen Stammzellen entwickeln und an ihnen die Effekte der durch die Mutation gestörten Signalübertragung zwischen Nervenzellen untersuchen. Ziel ist es, ein System für die Erprobung möglicher Medikamente für das SynGAP-Syndrom bereitzustellen und gleichzeitig die Anzahl der für das Verständnis der Krankheitsmechanismen erforderlichen Tiere zu reduzieren.
Ein Projekt im Bereich des „Refinement“ startet mit dem Ziel, neue Konzepte für die Haltung von Ratten zu entwickeln. Die Bedingungen in der Tierhaltung haben einen großen Einfluss auf das Wohlergehen von Versuchstieren. Ratten stellen nicht nur aufgrund ihrer Körpergröße besondere Anforderungen an Haltungssysteme. Sie besitzen zudem ein ausgeprägtes Spiel- und Erkundungsverhalten und interagieren intensiv mit ihren Sozialpartnern und mit Menschen. Gleichzeitig besteht in der Forschung der Bedarf an Tieren, die über einen längeren Zeitraum gehalten werden, da mit der demografischen Alterung der Gesellschaft auch die altersbedingten Erkrankungen zunehmen. Um diesem besser begegnen zu können, braucht es ausgewachsene und ältere Versuchstiere. Die Antragstellenden wollen verschiedene Konzepte für Käfigumbauten erproben, um den Tieren abwechslungsreiche und individuelle Optionen für Aktivität und Ruhe zu ermöglichen.
Weitere Informationen zu allen geförderten Forschungsprojekten und Förderlinien finden sich auf der Charité 3R-Webseite.
Über Charité 3R
Charité 3R ist eine im Jahr 2018 gegründete Einrichtung der Charité zur aktiven Unterstützung des 3R-Prinzips in der biomedizinischen Forschung. Ziel des 3R-Prinzips ist es, Tierversuche zu ersetzen (Replace), die Anzahl der Versuchstiere zu reduzieren (Reduce) oder die Belastung für Versuchstiere zu mindern (Refine). Die Vision von Charité 3R ist es, durch eine konsequente Umsetzung der 3R-Prinzipien die translationale Forschung und den Tierschutz gleichermaßen zu verbessern. Auch soll ein Kulturwandel in der biomedizinischen Forschung gemäß der 3R-Prinzipien dazu beitragen, menschliche Erkrankungen besser verstehen, diagnostizieren und therapieren zu können. Insgesamt wurden über Charité 3R bereits 53 3R-Projekte mit 6 Millionen Euro gefördert. Zur weiteren Umsetzung dieser Ziele ist unter anderem das Einstein-Zentrum 3R ins Leben gerufen worden.
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Geförderte Projekte von Charité 3R
Pressemitteilung zum Start von Charité 3R vom 23.11.2018
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